von T. Austin-Sparks
Kapitel 2 - Was geschieht, wenn wir Christen werden?
In diesen Vorträgen versuchen wir, vorwiegend praktisch zu sein. Das heißt, wir beschäftigen uns nicht damit, bloße christliche Lehre zu präsentieren. Christliche Lehre wird auch geboten, aber wir sind nicht daran interessiert, die Lehren des Christentums in abstrakter Form darzulegen, so wichtig sie auch sein mögen. Was uns auf dem Herzen liegt, ist dies, dass alles praktisch und erfahrungsorientiert sein soll, und dass es sofort auf die Probe gestellt werden kann.
Natürlich besteht ein Unterschied zwischen den Fakten und Wahrheiten des Christenlebens, und deren Erklärung. Das heißt, es ist möglich, dass alle Fakten im Leben vorhanden sind, ohne dass die betreffende Person sie erklären kann. Es ist Teil unseres gegenwärtigen Auftrags, die Tatsachen zu erklären, und angesichts dieser Tatsachen herauszufordern. Nun, jede Erklärung des Christenlebens sollte durch die Erfahrung belegt werden. Das heißt, es sollte möglich sein, dass ihr sagen könnt: «Nun, ich hätte es nicht so erklären können, aber aus meiner Erfahrung weiß ich genau, was Sie meinen - das bringt ganz einfach mein eigenes Leben zum Ausdruck». Die Erklärung muss also durch die Erfahrung bestätigt werden: die Erfahrung muss die Erklärung erhärten.
Lasst uns deshalb betrachten, was geschieht, wenn wir Christen werden. Wir wollen einige Zeit darauf verwenden, zu versuchen, hinter diese Angelegenheit des Christwerdens zu kommen, zu gewissen anderen Fakten zu gelangen - Fakten, die in der Bibel erwähnt oder geoffenbart werden und die der menschlichen Erfahrung entsprechen.
Wenn wir uns nun daran machen, den Menschen zu betrachten, wie wir ihn kennen, den Menschen von Natur aus, so ist das erste, was wir feststellen, dies, dass seine Beziehung zu Gott vollkommen ausgerenkt ist. Wir sagen «ausgerenkt», denn wir glauben, was die Bibel lehrt: Die Dinge waren einmal völlig in Ordnung, dann aber ging es schief. Wenn ihr für den Augenblick das Wort «ausgerenkt» aufgeben und es durch «getrennt» ersetzen möchtet, dann könnt ihr das tun. Zumindest werden wir darin übereinstimmen, dass die Dinge zwischen dem Menschen und Gott nicht in Ordnung sind. Die Beziehung zwischen dem Menschen und Gott befindet sich in einem abgebrochenen Zustand. Das ist die grundlegende Tatsache. Die Beziehung ist gelöst, es herrscht ein Zustand der Anspannung. Es besteht eine Distanz zwischen dem Menschen und gott. Die Beziehung, oder sagen wir vielleicht lieber, die «Nicht-Beziehung» ist eine sehr unglückliche Sache: Sie vollständig unproduktiv; sie bringt nichts hervor. Sie ist verschlossen und öde, völlig unfruchtbar. Bei vielen scheint Gott keine Rolle mehr zu spielen, und man macht sich nichts draus.
Das aber ist mehr oder weniger neutral oder sogar negativ. In den meisten Fällen ist die Situation viel schlimmer als so - sie ist konkret antagonistisch. Der Mensch befindet sich von Natur aus in einem Zustand des Antagonismus zu Gott; es herrscht ein Zustand des Konflikts, der Mensch hegt in seinem Sinn Misstrauen gegen Gott. Eine ganze Menge Ressentiments existieren in vielen menschlichen Herzen. Und wir können sogar noch weiter gehen - denn auch die Bibel geht so weit - und sagen, in bestimmten Fällen, vielleicht in nicht wenigen, findet sich sogar Hass gegen Gott in menschlichen Herzen. Manchmal stoßen wir auf so etwas. Das also ist die erste Tatsache - die Beziehung zwischen Gott und dem Menschen ist chaotisch, abgebrochen, ausgerenkt und unterbrochen.
Das ist nicht alles. Wir müssen noch tiefer in die Materie eindringen und weiter kommen. Der Mensch hat eine Reihe von Sinnen, die zu seinem geistlichen Wesen gehören, die aber nicht funktionieren - eine Reihe von Sinnen, die seinen physischen Sinnen entsprechen. Die physischen Sinne sind, wie wir wissen: sehen, hören, fühlen, schmecken, riechen. Doch besitzt der Mensch noch eine weitere Reihe von 5 Sinnen, die aber nicht physisch sind, sondern die dem inneren Menschen angehören. Sie sind das Gegenstück zu den fünf physischen Sinnen, und von Natur funktionieren diese anderen Sinne im Menschen nicht. Die Bibel redet von all diesen Sinne auf eine geistliche Weise in Bezug auf Gott.
Die Bibel spricht von einem SEHEN Gottes, das überhaupt nicht physisch ist; es geschieht nicht mit dem natürlichen Auge. Da gibt es jenes kleine Fragment, das wohl den meisten bekannt ist: «Die reinen Herzens sind... werden Gott schauen» (Mt. 5,8). Das ist gewiss keine physische Angelegenheit.
Dann wiederum das HÖREN. Es gibt ein geistliches Hören Gottes, das nicht auditiv durch das natürliche Ohr wahrgenommen wird. Es ist etwas, das im Herzen vor sich geht. Es ist nicht das Hören einer hörbaren Stimme, doch entspricht es dem auf eine geistliche Weise. Menschen sind imstande, zu sagen, hätten den Herrn zu ihnen sprechen gehört, doch haben sie dabei nie irgend etwas mit ihrem natürlichen Ohr gehört.
SCHMECKEN? Ja, die Bibel sagt: «Schmeckt und seht, dass der Herr gut ist» (Ps. 34,8), und niemand denkt dabei an etwas Physisches.
RIECHEN? Das scheint nun schwierig zu sein, vielleicht. Doch wir wissen, was wir meinen, wenn wir sagen, dass, ohne dass irgend ein physischer Faktor dabei mitwirkt, wir einen «Duft» wahrnehmen. Wir betreten einen Raum, und irgendwie stellen wir fest, dass «irgend etwas in der Luft liegt». Die Leute waren am Reden, und wenn wir eintreten, nehmen wir Verlegenheit auf ihren Gesichtern wahr, sie werden plötzlich still und schauen sich gegenseitig an, und wir «riechen» etwas. In analoger Weise wissen wir, dass es möglich ist, die Gegenwart Gottes zu empfinden. So gibt es also eine ganze Reihe geistlicher Fähigkeiten, die, wenn sie in Ordnung sind und funktionieren, uns mit Gott in Beziehung setzen; aber im natürlichen Menschen, im unwiedergeborenen Menschen funktionieren diese Sinne überhaupt nicht. In diesem Sinne gibt es da kein Sehen Gottes; er hört Gott nicht zu sich sprechen; er kann Gott nicht fühlen oder empfinden - es ist etwas Ungeheures, Gott zu fühlen, nicht mit euren Händen, aber auf eine innere Weise. Es gibt kein «Schmecken, dass der Herr gut ist» im natürlichen Menschen. All diese Dinge sind in Unordnung - und doch spricht die Bibel sehr oft davon. Die Bibel lehrt, und der Zustand des Menschen bestätigt es, dass der Mensch, was Gott betrifft, blind ist, dass der Mensch taub ist; der Mensch ist dumpf, er hat keine Gefühle, er ist unsensibel Gott gegenüber. Ist es nicht so? Das ist eine zutreffende Beschreibung von jedermann - vielleicht bist du es, der du diese Zeilen liest - der keine entschiedene christliche Erfahrung gemacht hat. Ihr könnt Gott nicht auf diese Weise sehen, ihr hört Gott nicht, ihr fühlt Gott nicht, ihr könnt Gott nicht spüren; Gott ist irreal, entfernt, weit weg, wenn es ihn überhaupt gibt. Ihr kennt ihn einfach nicht.
Es ist kein echter Widerspruch zu dem, was wir oben sagten und dem, was noch kommt, wenn wir sagen, dass in den meisten Fällen - es existieren sehr, sehr wenige Ausnahmen - dass irgend ein Bewusstsein von der Existenz eines erhabenen Gegenstandes vorhanden ist, das Anerkennung fordert. Uns geht es jedoch um den Punkt, dass es keine Gemeinschaft, kein Verständnis, keine Erkenntnis und keine lebendige Beziehung zu Gott gibt.
Der Mensch ist von Natur aus Gott gegenüber totDoch die Bibel geht noch weiter. Sie sagt, dem Menschen fehle durch seine natürliche Geburt noch etwas Anderes, was seiner - soll ich die Wendung brauchen? - biologischen Existenz, seinem Leben, entspricht. Wir haben eine biologische Existenz, die wir Leben nennen. Nun ist eine sehr bedeutsame Tatsache, dass das Neue Testament zwei verschiedene Wörter für zwei verschiedene Klassen von Leuten verwendet. Sie benutzt das Wort «bios» für das natürliche Leben, doch verwendet sie es nie für das Leben des Christen. Dafür benutzt sie ein ganz anderes Wort mit einer vollständig anderen Bedeutung. Was die Bibel sagt, ist dies, dass dem Menschen von Natur aus nicht nur die Funktionen seiner geistlichen Sinne fehlen, sondern dass ihm auch das fehlt, was seiner natürlichen Existenz entspricht - Leben. In einem Wort: Die Bibel sagt, der Mensch sei tot; nicht nur blind und taub und unsensibel Gott gegenüber, sondern TOT. «Der Tod drang zu allen Menschen hindurch» (Röm. 5,12), sagt das Wort Gottes. Von Natur aus ist der Mensch Gott gegenüber tot.
Tot gegenüber der Bedeutung seiner eigenen ExistenzUnd er ist auch tot gegenüber der wahren Bedeutung seiner Existenz. Der Mensch weiß von Natur aus nicht, warum er geboren wurde, warum er ein Sein hat. Wir haben alle möglichen Berichte über sein Wesen - wilde Erklärungen und Entschuldigungen, liegen gelassene Verantwortung usw., und das alles beweist, dass er der wahren Bedeutung seiner Existenz gegenüber vollkommen tot ist. Er macht das Beste daraus - und manchmal ist es ein recht gutes Bestes, das ein Mann aus seinem Leben macht; doch letztlich, wenn er sich in Beziehung zu Gott und in Beziehung zur Ewigkeit setzen will, weiß er nicht, warum er am Leben ist, warum er ein Sein hat. Er ist dem gegenüber tot. Er ist ewigen und himmlischen Dingen und Werten gegenüber tot. Was für eine törichte und hoffnungslose Sache ist es, mit dem natürlichen Menschen über die Dinge des Himmels und die Dinge Gottes zu reden! Er schaut euch an, er starrt euch an, er weiß nicht, wovon ihr überhaupt redet. Das gehört einer Welt an, mit der er einfach nicht vertraut ist. Es ist etwas Fremdes, weit weg, und er ist äußerst verwirrt.
Von einem gewissen Standpunkt aus mag er ein sehr guter Mensch sein, sehr gebildet. Vielleicht nimmt er eine Stellung von hohem Ansehen und Respekt ein unter den Menschen - er kann sogar ein sehr religiöser Mensch sein. Solch ein Mensch kam zu Jesus, ein hervorragendes Exemplar der besten Produkte der Menschheit abgesehen von Christus; doch über ihm hing ein sehr großes Fragezeichen. Er war voller Fragen: «Wie...? Wie...? Wie...?» Und Jesus sagte im Grunde: «Nun, es hat keinen Sinn, mit dir überhaupt über himmlische Dinge zu sprechen. Du gehörst nicht diesem Bereich an; du bist all dem gegenüber tot».
Nun, trifft das zu? Ich habe am Anfang gesagt, ihr könntet alles auf die Probe stellen. Das ist nicht bloß eine Aussage über irgend eine christliche Lehre. Damit wird eine Tatsache ausgesprochen, die sie verifizieren lässt. Einige von euch kennen vielleicht ihre Wahrheit jetzt, in eurer eigenen Erfahrung. Viele von euch kannten sie in vergangenen Zeiten, aber, Gott sei Dank, ihr kennt sie nicht mehr. Der Bibel gemäß ist der Mensch tot. Es ist sinnlos, zu einem Leichnam zu sprechen - ihr bekommt keine Antwort. Was die Dinge Gottes angeht, reagiert der Mensch nicht darauf. Es ist keine Korrespondenz, kein Austausch, keine Gemeinsamkeit, keine Gemeinschaft möglich. Das ist es, was die Bibel und die menschliche Erfahrung zum natürlichen Zustand des Menschen zu sagen hat.
Was geschieht, wenn wir Christen werdenDas bringt uns zu einem sehr praktischen Punkt, indem wir uns der Frage stellen: Was geschieht eigentlich genau, wenn wir Christen werden? Es gibt zwei Fragmente neutestamentlicher Schriftstellen, die dies, so glaube ich, sehr genau und vollständig für uns zusammenfassen. Das eine ist jene Aussage, mit der wir so vertraut sind und die doch unter Christen so wenig verstanden wird, die Aussage nämlich, die dem Menschen gegenüber gemacht wurde, den ich eben erwähnt habe, der mit seiner großen Frage daher kam - seinem vielfachen «Wie...?». Jesus blickte ihn einfach und und versuchte gar nicht erst, seine Frage zu beantworten, weil er wusste, wie hoffnungslos es ist, zu einem toten Menschen zu sprechen. Er sah ihn an und sprach: «Du musst von neuem geboren werden», oder «du musst von oben her geboren werden» (Joh. 3,7). Der andere Abschnitt, aus einem der Paulusbriefe, ist ebenso bekannt: «Ist daher jemand in Christus, dann ist er eine neue Schöpfung» (2. Kor. 5,17). Diese beiden Worte fassen zusammen, was geschieht: «von neuem geboren», «eine neue Schöpfung».
a. Eine neue LebendigkeitIch habe gesagt, ich wolle mich vom negativen Boden fernhalten und auf dem positiven bleiben, doch lasst mich hier in Klammern anfügen, dass Christwerden NICHT einfach bedeutet, die Grundsätze der christlichen Religion zu akzeptieren oder ihnen mental zuzustimmen, oder einer Gesellschaft beizutreten, die als christliche Institution bekannt ist, selbst wenn sie den Namen einer «Kirche» trägt. So wird man nicht Christ im neutestamentlichen Sinne. Die einzig wahre Art, ein Christ zu werden, ist die, dass wir von neuem geboren, bzw. eine neue Schöpfung werden: Was bedeutet, dass ihr eine andere Art annehmt, als ihr vorher wart, und von der alle anderen Leute sind, welche diese Erfahrung nicht gemacht haben.
Doch wenn wir so Christen werden, was geschieht dann? Unser Todeszustand macht dem Zustand des Lebens Platz. Dieses andere Leben, dieses Auferstehungsleben, das noch nie ein Mensch von Natur aus je besessen hat, ausgenommen Jesus Christus; dieses Leben - auf das wir nicht einmal in neutestamentlicher Terminologie Bezug nehmen - wird uns am Tage unserer Glaubens-Ausübung gegenüber dem Herrn Jesus als Herr und Erretter gegeben. Eine neue Lebendigkeit findet statt.
Es ist die erste wunderbare Erfahrung eines Christen. Der Christ springt zu diesem Zeitpunkt ins Leben hinein: Er beginnt sofort, eine neue Sprache zu sprechen darüber, dass er jetzt wisse, was es bedeute, zu leben, dass er jetzt die Bedeutung des Lebens kenne, usw. Was geschieht, wenn wir Christen werden? Nun, wir sind aus den Toten zum Leben gelangt! Wir sind lebendig geworden.
Aber es geht nicht nur um eine Wiederbelebung aus irgend einem Zustand. Es geht vielmehr um eine Verleihung von etwas, was nie zuvor da war - um ein neues Leben, das einer neuen Schöpfung angehört: d.h. einer neuen Ordnung, nämlich einer himmlischen Ordnung. Aus diesem Grunde ist es eine «Geburt von oben her». Jesus hat nie etwas wahreres gesagt als dies. «Ihr müsst von neuem geboren werden». Sollte jemand diese Zeilen lesen, der diese Erfahrung noch nicht gemacht hat, dann muss er wissen, dass, nach allem, was wir über den natürlichen Zustand gesagt haben, wenn er Gott sehen, hören, fühlen und empfinden möchte in der Art, wie wir es besprochen haben, etwas in ihm geschehen muss, das ebenso radikal ist, wie wenn er noch einmal in einen anderen Bereich hinüber geboren würde. Hierin hat Jesus völlig recht, nicht wahr? Es stimmt. «Ihr MÜSST...» - das ist nicht bloß das Aufgebot eines Befehls, es ist nicht bloß eine Erklärung, dass ihr ein Christ werden müsst, um von Gott akzeptiert zu werden. Es ist die Aussage einer grundlegenden und unausweichlichen Tatsache: Ihr könnt Gott nie, nie auf eine rechte Art erkennen, noch viel weniger lebendige Gemeinschaft mit Gott haben, es sei denn, in euch sei etwas geschehen, das absolut grundlegend, konstitutionell, ist. Ihr braucht ein neues Leben, nämlich Gottes eigenes Leben, das euch befähigt, Gott zu verstehen, ihn zu erkennen.
Dieses neue Leben führt sofort zu einem neuen Bewusstsein Gottes. Sofort werdet ihr für Gott lebendig - ihr empfindet Gott, nehmt Gott wahr. Gott wird eine Realität, eine lebendige Realität: er ist nicht mehr von euch entfernt, weit weg, unbestimmt, sondern jetzt ist er euch sehr vertraut, sehr real, sehr wunderbar, in der Tat die größte Realität in eurem ganzen Leben. Ihr kennt Gott auf eine neue Weise, ihr habt ein neues Bewusstsein von Gott.
Und dann stellt ihr fest, dass ihr ein neues Bewusstsein von der Bedeutung eurer eigenen Existenz habt. Jeder Christ, der wirklich auf der Basis des Beginns, der Auferstehung gegründet ist, springt fast sofort in dieses Bewusstsein hinein: «Nun habe ich die Erklärung des Lebens, ich habe den Schlüssel zum Leben gefunden. Ich weiß, dass ich für etwas Bestimmtes geboren wurde! Ich wusste nie zuvor, dass ich wahrhaftig für etwas geboren worden bin, doch jetzt weiß ich es. Ich empfinde eine Bedeutung für mein Dasein hier, für mein Schicksal, und es ist eingewickelt in diese neue Erfahrung. Es liefert eine Erklärung für mein eigenes Leben. «Trifft das nicht zu, ihr Christen? Es ist doch ganz einfach so, nicht wahr? «Nun wissen wir, warum wir hier sind».
Und um das noch einen Schritt weiter zu bringen - es ist auch ein neues Bewusstsein von Vorsatz und Berufung. Es ist nicht nur so, dass unser Lebendigsein eine Bedeutung erlangt, sondern mit diesem neuen Leben ist ein Vorsatz aufgetreten, ein Empfinden von Berufung. Wir sind zu etwas berufen. Ihr benötigt nicht viel Unterweisung diesbezüglich. Ihr braucht nicht einmal darauf zu warten. Das wahre wiedergeborene Kind Gottes fängt spontan und instinktiv damit an, mit andern Leuten darüber zu reden. Daran könnt ihr euer Christenleben prüfen. Ihr müsst es ihnen einfach erzählen, ihr müsst darüber reden, ihr müsst es sie wissen lassen. Das ist die Berufung, wie sie sich äußert. Ihr spürt, dass ihr für etwas berufen seid, dass es da etwas zu tun gibt. Und das kann sich, wie wir wissen, zu spezifischen Berufungen entwickeln. doch dieses Bewusstsein von Vorsatz, Bedeutung und Berufung taucht mit dem neuen Leben auf.
Und dann stellen wir fest, dass wir eine neue Reihe von Beziehungen haben, von Interessen, von Wünschen. Wir wissen das; es passiert einfach. Es nützt nichts, mit jemandem zu sprechen, der in diesen Dingen keinerlei Erfahrung hat. Sie haben ihre Beziehungen, ihre Interessen, ihre Wünsche, und sie verachten euch, weil ihr nicht tut, was sie tun, nicht geht, wo sie hingehen, euch nicht bei Dingen engagiert, die ihnen alles bedeuten. Sie verstehen euch nicht. Sie glauben, ihr hättet den Weg verfehlt, ihr hättet alles verloren, das zu haben sich lohnt. Doch wisst ihr ganz gut, dass es genau umgekehrt ist. Ihr verachtet sie nicht, sondern ihr bedauert sie, sie tun euch leid. Das ist eine transzendierende, superlative Reihe von Beziehungen. Christen kennen die Bedeutung einer kleinen Wendung, die in Beziehung auf einige frühe Diener Gottes verwendet wurde, die gefangen gesetzt wurden, weil sie genau dies taten - die ihren Sinn für die Berufung erfüllten und zum Ausdruck brachten, die damit nicht zurückhielten und es für sich behielten. Sie wurden gefangen genommen und vor die Autoritäten geführt, und man bedrohte sie. «Und als sie sie frei ließen, gingen sie zu den Ihren» - sie gingen instinktiv zu ihrer eigenen Gruppe (Apg. 4,23). Wir wissen, was das bedeutet. Es gibt eine neue «Gruppe» - eine neue Beziehung, eine neue Gemeinschaft, eine neue Reihe von Wünschen und Interessen. Niemand sonst kann sie verstehen oder wertschätzen, doch die Christen wissen es.
Ferner haben wir auch eine neue Reihe von Fähigkeiten. Das ist etwas Wunderbares im Zusammenhang mit dem Leben der neuen Schöpfung, des « wiedergeborenen» Lebens, dieses echten Christenlebens. Wir bekommen eine neue Reihe von mentalen Fähigkeiten, völlig verschieden von und zusätzlich zu den natürlichen geistigen Fähigkeiten, und sie bei weitem übertreffend. Es ist ein neues Verständnis der Dinge, und es ist eines der Wunder des Christenlebens. Ihr findet vielleicht eine Person, die akademisch, bildungsmäßig, oder auf irgend einem andern Gebiet, nicht besonders bevorteilt war, eine sehr gewöhnliche Person: und dennoch, wenn sie zu einer echten Erfahrung des Christenlebens gelangen, ist es bemerkenswert, wie sie sich ein völlig neues Verständnis und Wissen aneignen. Sie besitzen eine Einsicht in Dinge, zu der ein Mensch von höchster Bildung und mit dem größten Verstand - allein mit diesen Mitteln, völlig unfähig ist, sie zu erfassen und zu verstehen.
Das ist etwas, von dem der Christ weiß, dass es nur zu wahr ist. Sehr oft möchten wir glauben, dass eine gewisse Person, aufgrund solch bemerkenswerter akademischer Errungenschaften und Qualifikationen doch fähig sein müsste, zu verstehen; dass wir eigentlich einen guten Austausch und gute Gemeinschaft mit ihnen haben sollten: und dennoch, sobald wir anfangen, mit ihnen über die Dinge Gottes zu sprechen, stoßen wir auf eine Leere - sie wissens nicht, wovon wir sprechen. Doch da ist jener einfache Mann, jene einfache Frau, der bzw. die weiß. Sie besitzen eine neue geistige Fähigkeit, eine neue Reihe von Fähigkeiten und Kräfte, um die Dinge des Geistes Gottes zu verstehen, um zu wissen, was kein natürlicher Mensch wissen kann - nicht auf dem Wege des Studiums, sondern auf dem Wege der Kommunion mit Gott.
Und diese wunderbaren neuen Fähigkeiten wachsen und entwickeln sich, während der Christ voran schreitet. Wir stellen fest, dass wir neue Fähigkeiten der Transaktion und des Inangriffnehmens haben - des «Tuns». Der Christ hat die Fähigkeit, Dinge zu tun, die andere nicht tun können: die Fähigkeit der Ausdauer, die Kraft zum Überwinden, und die Kraft zum Wirken. Viele meiner Leser werden verstehen, wenn ich sage, dass es manchmal - tatsächlich sehr oft - so scheint, als gäbe sich Gott alle erdenkliche Mühe, unsere natürliche Fähigkeit, Dinge zu tun, zu unterbinden, um uns in ein Leben einzuführen, wo wir es ohne «Fähigkeiten» schaffen, ohne irgendwelche natürliche Erklärung. Wenn ihr vieles betrachtet, das in der Geschichte dieser Welt durch wahre Christen geschehen ist, dann werdet ihr das Wenigste auf natürlichem Wege erklären können. Es handelt sich um schwache Dinge, um zerbrechliche Dinge, Dinge, die in dieser Welt wenig gelten. Doch schaut euch an, was Gott durch das «Schwache» und durch «das, was nichts ist», getan hat.
Eine neue Hoffnung - das ist charakteristisch für einen neuen Christen. Eine vollständig neue Aussicht ist ins Blickfeld gesprungen. Wir werden später mehr davon sehen. Doch hier muss erwähnt werden, dass der Christ, wenn er ein echter Christ ist, nicht durch Verzweiflung, Hoffnungslosigkeit, durch den Sinn einer endgültigen Frustration und Enttäuschung charakterisiert wird. Ein Christ ist jemand, in dem tief unten in seinem Wesen das Bewusstsein verwurzelt ist, dass etwas Wunderbares bevorsteht, etwas jenseits von allem Bekannten. Das endgültige Argument für das, was nachher kommt, liegt nicht in irgend einem System der Lehre über den Himmel oder irgendwelche Alternativen. Es findet sich im Herzen, im Leben - es findet sich in einer mächtigen Dynamik. Was ist es, das Christen dazu gebracht hat, angesichts unsagbarer Schwierigkeiten, Leiden und Widerständen weiter zu gehen? Was ist es? Andere kapitulieren, geben auf, lassen fahren, fallen in Verzweiflung. Der Christ geht einfach weiter. Und es ist nicht so, dass der Christ irgend ein besseres natürliches Kaliber hätte als andere, mit mehr Hartnäckigkeit und Sturheit. Überhaupt nicht. So oft sind es die Schwachen, wie die Menschen sie einstufen; aber da ist dieses Voranschreiten. Sie sind von einer inneren Überzeugung ergriffen, dass dies nicht das Ende ist, dass dies nicht alles ist, dass es noch etwas darüber hinaus geben müsse. Da ist dies HOFFNUNG, die vom «Gott der Hoffnung» gekommen ist.
Nun, wie lautet die Erklärung für dies alles - ein neues Leben, ein neues Bewusstsein, neue Beziehungen, alles neu? Wir übertreiben das Christenleben nicht. Worauf läuft es hinaus? Welches ist sein umfassendes Geheimnis? Seht ihr, es geht nicht darum, dass der Christ einfach einige abstrakte DINGE bekommt. Ihr könnt es Leben nennen, oder nennt es Verständnis, nennt es Hoffnung oder nennt es Kraft, aber das sind nicht einfach abstrakte Dinge. Der wahre, wiedergeborene Christ hat nicht Abstraktionen, sondern eine PERSON bekommen. Die umfassende Erklärung für all das ist die Gabe des Heiligen Geistes. Gott gibt seinen Geist denen, die ihm gehorchen (Apg. 5,32).
Nun, der Heilige Geist ist Gott, nichts Geringeres als Gott, und der Heilige Geist besitzt die ganze Intelligenz und Erkenntnis Gottes, alle ewigen Aussichten Gottes; die Elemente der Ewigkeit, der Zeitlosigkeit. Alles, was auf Gott zutrifft, trifft auch auf den Heiligen Geist zu. Wenn es denn Gott schenkt, dass der Heilige Geist in einer Person Wohnung nimmt, und diese Person, von allem Anfang an wie ein Säugling, von Tag zu Tag, Jahr für Jahr lernt, in Gemeinschaft mit dem innewohnenden Heiligen Geist zu wandeln, dann wird diese Person unweigerlich in all diesen Charakteristiken heranwachsen, die wir erwähnt haben.
An erster Stelle werden sie göttliches Leben kennen lernen - Gottes eigenes Leben im Innern. Das ist etwas äußerst Wunderbares, wenn ihr darüber nachdenkt. Wir haben nicht bloß ein «Es», sondern Ihn selbst, Gott in Christus durch den Heiligen Geist, als unser wahres Leben. Ich liebe die Art, wie die Bibel es in Bezug auf Gott sagt: «Er ist ... die Verlängerung deiner Tage» (5. Mose 30,20). Denkt darüber nach. Das bedeutet, dass, wenn Gott wirklich unser Teil ist und in uns residiert, dann wird unsere Lebensdauer, unsere Schicht, nicht von natürlichen Dingen diktiert. Er ist die Länge unserer Tage. Wir werden sterben, wenn er sagt, die Zeit sei gekommen, und nicht vorher. Seht ihr, alles ist in seiner Hand, und bis die Zeit kommt, werden viele Bedrohungen kommen, aber sein Leben dauert an, und wir stehen wir auf und stehen auf und stehen wieder auf. Wir glaubten, das Ende sei gekommen, doch wir stehen wieder auf und gehen weiter - weil Er unser Leben ist. Der Heilige Geist wird «der Geist des Lebens» genannt (Röm. 8,2). Eine solche Person in uns wohnend zu haben ist etwas äußerst Wunderbares.
Und so, wenn er alle göttliche Intelligenz besitzt, und wir uns in seiner Schule befinden, mit ihm Leben, Tag für Tag Gemeinschaft mit ihm haben, werden auch wir in dieser Intelligenz wachsen, die kein natürlicher Mensch besitzt. Wir werden in der Erkenntnis wachsen, wachsen im Verständnis, wachsen in der Fähigkeit, die Dinge Gottes zu erfassen, die kein Mensch losgelöst vom Geist Gottes verstehen kann. Ich möchte den Nachdruck darauf legen. Es ist der Heilige Geist SELBST. Ich weiß, dass die Christen im Allgemeinen an den Heiligen Geist glauben - die Mehrheit der evangelikalen Christen glauben an die Person des Heiligen Geistes. Sie setzen den Artikel davor - DER Heilige Geist - während andere nur von «Heiligem Geist» sprechen. Es ist Bestandteil unseres christlichen Glaubens, an den Heiligen als an eine Person zu glauben; einige Erkenntnis bezüglich der Lehre des Heiligen Geistes, seines Werkes und seiner Kraft, zu haben. Und doch besteht unter Christen ein beklagenswerter Mangel an Verständnis dafür, was es heißt, den Heiligen Geist im Innern wohnend zu haben. Dies wird durch die Tatsache enthüllt und manifest, dass sie manchmal so im Gegensatz zum Heiligen Geist handeln können, ohne scheinbar von ihm zurechtgewiesen zu werden. Es ist wirklich erstaunlich, wie viele Christen auf eine Weise reden können, die der Heilige Geist niemals gutheißen kann, und doch scheint ihnen die Tatsache vollkommen zu entgehen, dass der Heilige Geist nicht mit ihnen übereinstimmt. Viele Christen können Lügen über andere Glauben schenken, und diese sogar wiederholen, und doch nie merken, dass der Heilige Geist damit gar nicht einverstanden ist. Etwas stimmt hier nicht bezüglich des praktischen Ausdrucks des Heiligen Geistes - denn er ist der Geist der Wahrheit.
Nun, das wahre Christenleben bedeutet, dass, wo immer der Heilige Geist mit irgend etwas, das wir sagen oder tun, nicht einverstanden ist, oder mit der Art, wie wir es sagen oder tun, wir uns dessen bewusst sein sollten. Wir sollten es sofort registrieren - nicht eine Stimme, aber eine Empfindung: dass der Heilige Geist im Grunde sagt: «Ich bin damit nicht einverstanden - das ist falsch, das ist nicht richtig, das ist nicht wahr, das ist nicht nett, das ist nicht gut, das ist nicht gnädig». Es besteht eine sehr große Notwendigkeit, dass die Wirklichkeit des innewohnenden Geistes zum Ausdruck kommt. Es ist nicht so, dass das Unvermögen, zu erkennen, zu empfinden und zu unterscheiden bedeuten muss, dass der Heilige Geist gar nicht da sei. Es bedeutet lediglich, dass, wenn es so ist, wir nicht im Geist wandeln. Wir haben dann eine ganz bestimmte Korrektur nötig.
Doch wenden wir uns der positiven Seite zu: Das echte Christenleben kann, und sollte auch, so sein. Wenn der Heilige Geist in uns wohnt, so wissen wir es sofort, wenn wir, ihr oder ich, etwas sagen oder tun, mit dem er nicht einverstanden ist. Wir haben mitten in uns drin ein schlechtes Gefühl, und wir werden es nicht los. Wir müssen sagen: «Offensichtlich lag ich falsch mit dem, was ich sagte oder tat. Herr, vergib mir und nimm es aus dem Weg». Und wenn es jemandem Schaden zugefügt hat, dann wollen wir versuchen, es in Ordnung zu bringen. Das ist ein Leben im Geist. Es ist etwas sehr Praktisches.
Das ist es, was passiert, wenn wir Christen werden. Es beginnt damit. Die Anfänge sind sehr einfach. Wenn ihr noch sehr jung seid in eurem Christenleben, dann solltet ihr ganz sicher etwas von diesen einfachen Wegen kennen. Vielleicht seid ihr im Begriff, etwas zu tun, was ihr schon immer getan habt, doch etwas in eurem Innern sagt: «O nein, jetzt nicht - das gehört der Vergangenheit an». Das ist ein einfacher Anfang, nicht wahr? Wenn ihr fortfahrt, verbrennt ihr eure Finger - weil ihr lebendig seid! Wenn ihr tot wärt, würdet ihr diese Dinge tun und nichts spüren. Weil ihr aber lebendig seid, seid ihr empfindsam.
Ja, das geschieht, wenn wir Christen werden. Es ist sehr einfach; viele von uns kennen das aus Erfahrung. Aber es ist wichtig für die Vielen, die in diesen Tagen zu Christus kommen, die am Anfang ihres Christenlebens stehen, wirklich zu wissen, in was sie hinein gelangt sind, was wirklich mit ihnen geschehen ist. Sie sollten imstande sein, zu sagen: «Ja - nun, ich hätte es nicht erklären können, ich hätte es nie in Worte fassen oder definieren können; aber ich weiß, was Sie meinen. Das trifft auf meine eigene Erfahrung zu». Aber seht ihr, es ist etwas mehr als ein bloßes SPÜREN. Wir müssen VERSTEHEN, wir müssen über diese Dinge AUFGEKLÄRT werden. Möchte Gott doch aus uns intelligente Christen machen - Christen, die in einer Lebensgemeinschaft mit dem Heiligen Geist im Innern vorangehen, und die ständig wachsen. Möge Gott verhüten, dass irgend ein junger Christ, der diese Zeilen liest, in fünf, zehn oder zwanzig Jahren noch immer dort ist, wo er jetzt steht. Das ist nicht nötig, weil natürlich - Preis sei Gott! die Wiedergeburt nicht das Ende von allem ist - sie ist erst der Anfang!
In Übereinstimmung mit dem Wunsch von T. Austin-Sparks, dass das, was er frei erhalten hat, weitergegeben und nicht gewinnbringend verkauft werden sollte und dass seine Botschaften Wort für Wort reproduziert werden, bitten wir Sie, diese Botschaften mit anderen zu teilen und frei anzubieten, um seine Wünsche zu respektieren - frei von jeglichen Änderungen, kostenlos (außer notwendigen Vertriebskosten) und mit dieser Erklärung inklusive.