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Das Gold des Heiligtums

von T. Austin-Sparks

Kapitel 6 - Das Menschsein in Beziehung zum Zeugnis des Herrn

Schriftlesung: 2. Korinther 12

Beim Weiterverfolgen dieser Angelegenheit von Leben und Unverderblichkeit werden wir nun besonders eine kleine Wendung betrachten, die der Apostel Paulus über sich selbst verwendet; sie steht in 2. Kor. 12,1: «Ich kenne einen Menschen in Christus». «Ein Mensch in Christus». Ich möchte das mit einer sehr kleinen und einfachen Klausel verbinden, die in verschiedenen Zusammenhängen an verschiedenen Orten vorkommt. Wir beginnen gleich am Ende des Buches der Offenbarung.

«ICH, JESUS, habe meinen Engel gesandt, um euch diese Dinge für die Gemeinden zu bezeugen» (Offenb. 22,16).

Es ist schlicht die einzelne Klausel am Anfang: «Ich, Jesus». Dann, uns rückwärts wendend, haben wir

«ICH, JOHANNES, euer Bruder und Mitteilhaber an der Trübsal und am Königreich und an der Geduld, welche in Jesus sind» (Offenb. 1,9).

«Nun, ICH, PAULUS selbst flehe euch an» (2. Kor. 10,1). «Siehe, ICH, PAULUS, sage euch» (Gal. 5,2). ICH, DANIEL, erfuhr durch die Bücher...» (Dan. 9,2).

«Ich, Jesus», «ich, Johannes», «ich, Paulus», «¡ch, Daniel»; und das wird nicht nur gestattet, sondern offensichtlich durch den Heiligen Geist inspiriert, eine Tatsache, die schon an sich besondere Bedeutung hat.

Das Objekt unserer Betrachtung ist deshalb «ein Mensch in Christus», oder das Menschsein in Bezug auf das Zeugnis des Herrn.

Wir haben bereits festgestellt, dass das Menschsein, oder die Menschheit, ein göttliches Konzept ist, etwas, was im Sinn Gottes seinen Anfang genommen hat. Da es denn im Gedanken Gottes vorhanden ist, ist es gekommen, um zu bleiben. Es gibt in der ganzen Schrift nichts, das darauf hinweisen würde, dass Gott zu irgend einer Zeit, an irgend einem Punkt, diese Ordnung der Dinge beenden und sie durch eine andere Ordnung ersetzen würde - eine Ordnung von Engeln oder ein anderes Konzept seines Sinnes bezüglich der Bewohner oder Besetzer seiner Schöpfung. Nein, die Menschheit ist gekommen, um zu bleiben. Sie besteht aus der Substanz des Unverderblichen, des Nicht-Sterblichen, des Bleibenden, und darum nimmt das Menschsein oder die Menschheit in Gottes Gedanken einen sehr hohen Platz ein - höher als die Ordnung der Engel, so macht es die Schrift zumindest deutlich. Im Gedanken Gottes ist das Menschsein etwas sehr Vornehmes mit einer sehr großen und hohen Bestimmung. Daher nimmt Gott sich sehr unseres Menschseins an.

Die Würde des Menschen im Gedanken Gottes

In diesem Kapitel werden wir uns weitgehend damit beschäftigen, falsche Vorstellungen zu korrigieren, um an die wahren heran zu kommen. Unsere Vorstellungen vom Menschen sind ein wenig durcheinander geraten; es gibt viele Mängel in unserer Vorstellung vom Menschen. Die evangelikale Christenheit hat großen Nachdruck auf die Verderbtheit des Menschen gelegt. Es ist eine grundlegende Lehre der evangelikalen Position. Da kann ich nichts davon wegnehmen; wir können das nur sehr stark unterstützen; doch müssen wir daran denken, dass jede Wahrheit sehr nahe an eine Gefahr oder einen Irrtum heran kommt. Auf der andern Seite ist es aber ebenso wahr, dass der Mensch eine äußerst wunderbare Schöpfung ist, «erstaunlich und wunderbar gemacht» (Ps. 139,14). Die Menschheit ist etwas sehr sehr Komplexes und Wunderbares. Ständig entdecken wir neue Faktoren und Bereiche innerhalb der menschlichen Seele, und es ist die Seele des Menschen, die der eigentliche Kern des Menschseins darstellt. Ich habe nicht die Absicht, mit einer Analyse der menschliche Psyche zu beginnen; aber sind wir nicht manchmal selber erstaunt, was, völlig unverhofft, alles an Fähigkeiten und Kapazitäten, an unerwarteten Kräften in uns am Werke sind? Es gibt zwei Seiten dieser Angelegenheit des Menschseins: Die eine, die vollkommen zutrifft, die totale Verderbtheit des Menschen; die andere, die wunderbare Würde des Menschen, die Würde der menschlichen Idee im Sinn Gottes; und diese beiden Dinge müssen irgendwie ausbalanciert werden, oder aber es entstehen aus ihrer Diskrepanz viele Übel.

So gibt es also eine falsche Vorstellung, die korrigiert werden muss, bevor wir zum wahren Gedanken Gottes hinsichtlich des Menschen kommen können. Lasst uns vorsichtig sein.

Unsere Individualität wird durch das Kreuz nicht vernichtet

Wenn wir uns nun eng entlang dessen, was so oft unsere unausgeglichene und einseitige Vorstellung vom Menschen ist, bewegen, wäre einmal unsere Vorstellung von der Bedeutung des Kreuzes für den Menschen zu erwähnen. Wir legen gewöhnlich einen großen Nachdruck auf jene Seite des Kreuzes, die sich auf unsere Identifikation mit Christus in seinem Tode bezieht: Und zwar nicht nur die Beseitigung unserer Sünden in diesem Tod, durch dieses Kreuz, sondern auch von uns selbst, die vollständige und äußerste Beseitigung einer bestimmten Art von Mensch; und auch davon können wir nichts wegnehmen. Das bleibt bestehen, und wir können nichts hinzufügen; es ist wahr. Aber wiederum lauert hier eine sehr große Gefahr, die entlang dieser Tatsache mitläuft. Unsere Individualität wird durch das Kreuz nicht vernichtet. Wir werden durch das Kreuz nicht als menschliche Wesen ausgelöscht. Das Kreuz zerstört unsere Einheit nicht. Es verfährt mit der Grundlage unseres Menschseins, auf der wir jetzt in Bezug auf Adam leben, das schon, aber es zerstört uns nicht, und wir müssen sehr aufpassen, dass wir das Kreuz nicht in Bereiche hinein tragen, für die es nie gedacht war. Einige Leute scheinen zu glauben, die Aneignung der Bedeutung des Kreuzes, unsere Identifikation mit Christus in Tod und Begräbnis, heiße, dass wir irgendwie aus diesem Universum verschwinden und nie mehr gesehen oder gekannt oder anerkannt oder gefühlt werden sollten. Irgendwie sollte ein Vakuum zwischen unserer Existenz und dieser Welt bestehen. Wir sollten als «Was-weiß-ich» wandeln - nein, überhaupt nicht mehr existieren! Das Kreuz ist nicht dazu da, Asketizismus zu schaffen und zu fördern. Ihr könnt diese Sache auf ein Gebiet übertragen, das falsch ist. Lasst mich wiederholen: Unsere Persönlichkeit und unsere Individualität werden durch das Kreuz nicht so betroffen, dass sie zerstört werden. Nun, ihr müsst euch hinsetzen und darüber nachdenken, wie diese Dinge ausbalanciert werden können. Ich mache diese Aussagen, weil wir bei einer sehr wichtigen Sache angelangt sind.


Unsere Individualität geht im Leib Christi nicht verloren

Dann müssen wir noch eine weitere falsche Vorstellung korrigieren. Ich habe vom Kreuz gesprochen. Nun muss ich vom Leib Christi reden. Nun, der Leib Christi ist eine große Wahrheit, eine große Wirklichkeit, eine wunderbare Sache. Es gibt nichts, das wir von all der Offenbarung und Wahrheit und Lehre über den Leib Christi wegnehmen müssten. Doch müssen wir sehr darauf achten, wie das alles unsere Gedanken beeinflusst, denn eine falsche Vorstellung vom Leib, «der Gemeinde, die sein Leib ist», mag dazu führen, dass wir die Vorstellung hegen, unsere individuelle Unterschiedlichkeit werde zerstört und wir alle würden zu einer allgemeinen Teigmasse zusammengemixt; alle unsere Eigentümlichkeiten würden verschwinden, und wir würden jegliche persönliche Gestalt in etwas hinein verlieren, das Leib genannt wird. Nun, Paulus gab sich sehr viel Mühe, den Fehler in einer solchen Vorstellung aufzuzeigen. «Wenn der ganze Leib Auge wäre... wenn der ganze Leib Ohr wäre...» (1. Kor. 12,17). Das war seine Art, sich dieser Gefahr zu nähern - der Gefahr, anzunehmen, der Leib ziehe eine Verallgemeinerung nach sich, er führe zum Verlust individueller Unterscheidbarkeit.

Wir brauchen wiederum bloß unseren Körper zu betrachten, sowohl inwendig wie äußerlich, und wir werden feststellen, dass bis hinunter zum kleinsten Teil, zum kleinsten Organ, etwas absolut Unterscheidbares besteht. Jedes hat eine unterschiedliche Form, und eine unterschiedliche Funktion, etwas, das ihm eigen ist und das es von allen andern unterscheidet. Eine der Auswirkungen einer Krankheit ist doch, dass die Besonderheit eines Organs zerstört wird, so dass es seine eigene und besondere Funktion und seine besonderen Merkmale verliert. Das bedeutet Krankheit im menschlichen Körper. Wir müssen deshalb unser Verständnis hinsichtlich dieser Angelegenheit des Leibes berichtigen. Wir verwechseln INDIVIDUALITÄT mit INDIVIDUALISMUS, und genau hier liegen wir falsch. Ja, der Individualismus muss gehen; die Individualität jedoch, niemals!

Müssen wir das nun bis zur Schöpfung weiterverfolgen? Warum diese weitreichende und unerschöpfliche Vielfalt in Gottes Schöpfung? Sie ist eines der Wunder der Schöpfung, ihre endlose Vielfalt. Und doch hängt in der ganzen Schöpfung alles von einander ab: Jeder Zweig hängt von einem anderen Zweig ab - die Blume von der Biene, und die Biene wiederum von der Blume, und so weiter. Dieses Prinzip zieht sich durch die ganze Schöpfung hindurch, dass jedes zur Rechtfertigung seiner bloßen Existenz und zur Realisierung seiner Bestimmung von einem andern abhängt.

Und was für die Schöpfung als Ganzes gilt, trifft besonders auf unseren Körper zu. Wenn der Körper als Bild für die Gemeinde genommen wird, ist es genauso - eine weitreichende Vielfalt. Gleichzeitig besteht eine wunderbare Einheit, doch hat jeder Teil seine Besonderheiten des Beitragens und Funktionierens, als etwas, das zu ihm gehört, nur zu ihm, und das unentbehrlich ist, und genau dies ist das Argument von Paulus den Korinthern gegenüber. «Wir können nicht sagen: Das brauche ich nicht, darauf können wir nicht verzichten». Das Ganze hängt davon ab und verlangt das, weil es für den Herrn seinen Eigenwert in sich selbst hat.


Gottes Idee ist ein Mensch

Dann ist da noch eine weitere Sache, die korrigiert werden muss - die falsche Vorstellung, die damit zu tun hat, dass wir eher eine Sache statt eine Person sind - und wenn ich sage, eine «Sache», dann müssen Leute, welche die Bezeichnung tragen, die ich gleich erwähnen werde, sehr viel Geduld haben. Es ist möglich, dass bestimmte Leute «Lehrer», «Missionare», «Prediger», «christliche Mitarbeiter» oder «Diakone» sind - alles Bezeichnungen, Titel - und genau das werden sie dann auch: ein Prediger, ein christlicher Mitarbeiter und was auch immer, indem sie unter die eine oder andere Kategorie möglicher Titel und Bezeichnungen fallen. Sie hören auf, Personen zu sein und werden zu Sachen, und wenn ihr ihnen begegnet, dann begegnet ihr dem Lehrer, dem Prediger, dem Diener Gottes, dem christlichen Mitarbeiter. Das hat in vielen Fällen dazu geführt, dass man eine besondere Art von Kleidern trägt, sowohl unter Männer wie Frauen. Ihr begegnet dem Diener Gottes, dem Kleriker, der Diakonisse. Ihr begegnet einer SACHE; es ist so leicht für uns, zu einer Sache zu werden, zu etwas, das zu einer Plattform oder Klasse gehört, und diese Sache wischt unsere Persönlichkeit aus. Das heißt, man begegnet uns nicht als Personen, und auch wir begegnen den Menschen nicht als Personen, als Menschen: Wir begegnen ihnen als dies oder das - als irgend eine Sache - und das ist eine falsche Vorstellung, die unbedingt korrigiert und berichtigt werden muss, denn Gottes Idee ist ein Mensch. Gottes Idee ist nicht ein Prediger, ein Lehrer, ein christlicher Mitarbeiter, ein Missionar. Gott hat noch nie einen MISSIONAR ausgesandt. Gott hat immer einen Menschen ausgesandt, und er sendet noch immer Menschen aus. Wenn Gott seinen freien Weg hat, wird er stets dafür sorgen, dass es ein Mensch ist, den er aussendet, und nicht einen Missionar. Ihr versteht, was ich meine. Menschen mit ihren Organisationen schicken Missionare, Prediger, Mitarbeiter hinaus. Gott sendet immer Leute aus, und er sieht besonders darauf, dass es Leute sind, nicht Sachen. Berufe können zu mehr werden als bloß Personen, und das ist stets eine Gefahr. Das, womit wir am meisten beschäftigt sind, wird zu der Sache, welche die Person am meisten verhüllt, weil sie vor der Person steht.

Gott will Originalität

Ferner zur Frage der Originalität. Hier ist ein sehr wichtiger Punkt - und ihr werdet merken, dass wir hier der Sache schon näher kommen. Diese Frage der Originalität - natürlich trifft es zu, dass an sich nichts original ist. Aber auch wenn das wahr ist, was Salomo sagt, dass es «Nichts Neues unter der Sonne gibt» - kann Gott dennoch IN UNS tun, was «alles neu» macht. Die Dinge mögen schon seit langem existiert haben, viele andere mögen sie gekannt und sich darüber gewundert haben, aber erst, wenn erst wenn die göttliche Hand unsere Augen oder Herzen berührt, treten sie für uns voll ins Dasein und erscheinen uns so, als hätte es sie noch nie zuvor gegeben. «DAS habe ich noch nie zuvor gesehen!» So mag es mit dem Wort Gottes sein, das vor Jahrhunderten geschrieben wurde. Es mag uns plötzlich erscheinen, als wäre es erst heute geschrieben worden, wenn die Hand Gottes unsere Augen berührt. Das ist es, was ich mit Originalität meine. Bei all seinem Wert scheint es so, als habe es noch nie zuvor existiert. Doch jetzt werden die Dinge, die bisher bloß existiert haben, zur Erfahrung.

Wie kommt das? Nicht deshalb, weil jemand neues Licht darüber geworfen hat, sondern weil der Herr etwas getan hat. Der Herr hat in uns etwas getan, so dass aus dem Bereich des «schon lange Vorhandenen» etwas hervor gegangen ist, von dem uns jetzt scheint, es so vorher noch nie dagewesen. Es muss etwas in uns sein, das allem Originalität verleiht. Wir können diese Dinge nicht so nehmen, wie sie sich geben, als bloße Dinge. Wir sollten nicht wie Tonbandgeräte sein. Wenn ich ins Mikrophon spreche, kommt alles aufs Band. Wenn dann die Gelegenheit es erfordert, kann ich es rückwärts laufen lassen, und alles läuft noch einmal ab. Ihr hör meine Stimme und jedes Wort, das gesprochen wurde, aber das ist keine Persönlichkeit. Alles ist zwar da, die Botschaft, die Wahrheit; in einem gewissen Sinne weiß das Band alles, es enthält alles; aber es ist keine Persönlichkeit da, und darum ist auch nichts original - es ist bloß mechanisch.

Der Herr möchte nicht, dass wir Maschinen sind; er will nichts Mechanisches, keine Art von Tonbandaufnahme-Wahrheit. Er will Originalität, und die Originalität bezieht sich auf uns, nicht auf unsere Sache. Ihr mögt alle Information in eurem Notizbuch haben, genau so wie das Tonband sie hat; aber solange es nicht irgendwo anders hingelangt, nützt es euch nichts - hat es keinen Wert. Es muss in euch hinein gelangen, es muss zu euch selbst werden. Etwas muss geschehen, so dass ihr imstande seid, zu sagen: «Nun, ich habe all das; ich kenne die Worte, die Wendungen und Sätze, die Ideen; aber ich habe noch etwas mehr, das zu einem Teil meines Wesens geworden ist, etwas, von dem ich lebe».

Das Prinzip geistlicher Autorität

Das ist eben das Prinzip der geistlichen Autorität. Wenn vom Herrn gesagt wurde, er habe mit Autorität gesprochen und nicht so, wie die Schriftgelehrten (Mt. 7,29), hieß das keineswegs, dass er mehr gewöhnliches Wissen gehabt hätte als die Schriftgelehrten. Vielleicht besaßen sie ein schönes Stück mehr Wissen - Schulwissen - als er besaß. Er hatte nicht das Wissen der Schulen. Sie hatten das alles. Ihre Autorität war eine akademische oder technische. Als sie seine Autorität höher anschlugen als diejenige der Schriftgelehrten, dann meinten sie damit: «Dieser Mann redet aus seiner Erfahrung, er redet von dem, was er aus eigener Erfahrung gelernt hat, das stammt von ihm, nicht aus Büchern; es ist nicht einfach die letzte Botschaft, die er gehört hat, das letzte Buch, das er gelesen hat, nicht etwas, das ihn einfach gepackt hat, das er von jemand anderem übernommen hat, von dem er glaubte, es sei eine großartige Idee, um sie dann weiter zu entwickeln. Nein, es war das Ergebnis von etwas, das Gott in ihm getan hat, und es kommt von ihm selbst».

Das alles hängt zusammen mit dieser Frage des Menschseins in Bezug auf das Zeugnis des Herrn, einem Menschen in Christus.


Gott verlangt hinter allem eine Geschichte

Nun, weil der Herr sich so sehr Gedanken darüber macht, wollen wir dies den MENSCHLICHEN Faktor in seinem Zeugnis nennen; weil dies seine eigene göttliche Idee ist und darum das Element des Unverderblichen, d.h. dessen, was ewig ist, in sich hat, weil Gott den Menschen für die Unverderblichkeit und für die Herrlichkeit geschaffen hat, und weil dieser ewige Gedanken mit dem Menschen verbunden ist: weil das so ist, VERLANGT ER EINE GESCHICHTE hinter allem übrigen. Das heißt, er verlangt eine Geschichte hinter allem, was wir sagen. Wenn wir Wahrheit von uns geben, wenn wir lehren oder predigen oder arbeiten oder auf irgend eine Weise andere Leben zu beeinflussen suchen, wenn wir in Bezug auf den ganzen Vorsatz Gottes hinsichtlich dem Leben anderer hier sind, muss unser Teil, unser Platz, unser Einfluss eine Geschichte hinter sich haben. Wir sind nicht hier, um eine Art Mittelsmann zu sein, indem wir von einem Vorrat und auf diese mechanische Weise Dinge an andere weitergeben, um Themen zu studieren, um sie dann weiter zu geben und sie als göttliche Produkte zu verkaufen. Gott verlangt eine Geschichte hinter allem, und erst, wenn eine solche Geschichte vorhanden ist, gibt es auch irgend einen realen Wert. Das Zeugnis besteht nicht aus Worten, Ideen, Wahrheiten, sondern aus Geschichte in Verbindung mit ihnen. Gott ist sehr sorgsam darauf bedacht und hat ein Auge darauf, dass wir, ihr und ich, in Sachen Wahrheit nie über uns selbst hinausgehen, dass wir nie über unsere eigenen Verhältnisse hinaus reden, weil wir, wenn wir uns dessen nur bewusst wären, wir selbst das Maß für die Wahrheit dessen sind, was wir äußern. Da ist etwas hinter der Wahrheit, das dieser Wahrheit ihre unverderbliche Natur verleiht, das diese Wahrheit lebendig, dauerhaft und wirksam macht. Es ist nicht die Wahrheit selbst - es ist dies, dass wir die Wahrheit kennen; und dieses Kennen ist ein Kennen aus Erfahrung. Der wahre Wert in all unserem Lehre und Reden und Versuchen, wie wir sagen, das Zeugnis zu fördern, für das Zeugnis einzustehen - ich weiß nicht, ob ich diese Art zu reden liebe, aber so reden wir nun einmal und wir meinen das auch - ist dies, dass alles eine geistliche Geschichte hinter sich haben muss.

Es ist, wie ich vorhin schon gesagt habe, die geistliche Geschichte, die Autorität verleiht, und nichts anderes kann Autorität verleihen. Und es ist auch die geistliche Geschichte, die Originalität schafft. Vergesst bitte nicht, dass Originalität wesentlich ist. Alles muss bei uns beginnen, bevor wir es mit irgend einer Wirkung oder einem Wert an andere weiter geben können. Die Worte des Herrn an Pilatus können oft sehr wohl an uns adressiert sein: «Sagst du dies von dir selbst aus, oder haben es dir andere über mich gesagt?» (Joh. 18,34). «Sagst du dies von dir selbst aus?» Hier muss es beginnen, es muss aus unserer eigenen Geschichte hervorgehen. Tatsache ist, dass Tausende und Abertausende denselben Weg wie wir gegangen sein mögen unter der Hand Gottes, aber wenn es um all die praktischen Absichten geht, ist wohl keiner von uns diesen Weg gegangen. Wir können schlichtweg nicht von den Erfahrungen anderer leben, obwohl es Tausende davon gibt. Wenn Gott uns in seine Hände kriegt, ist es so, wie wenn niemand je zuvor diesen Weg gegangen ist. Wir sind darin allein, dies ist etwas Originales. Wir haben das Gefühl, dass niemand dies je zuvor erlebt HAT, sie können es gar nicht erlebt haben - «Ich bin der einzige, dem je etwas Ähnliches widerfahren ist!» - und doch sind schon Tausende diesen Weg gegangen. Ihr seht den Punkt der Originalität. Der Herr bewirkt, dass die geistliche Erfahrung für uns so ist, als hätte sie nie zuvor jemand gemacht.

«Ich, Jesus». Macht es auf euch keinen Eindruck, dass unmittelbar am Ende der Bibel die letzte Äußerung des Herrn Jesus, wenn er zu den Gemeinden redet, eingebettet ist in diesen Namen? Nicht «Ich, der Herr», sondern «Ich, Jesus». Ihr Studenten der Bibel wisst sehr wohl, dass der Name «Jesus» im Neuen Testament ihm unweigerlich in den Tagen der Erniedrigung zugelegt wurde. Nach seiner Erhöhung nannten sie ihn «Herr», «der Herr Jesus», «der Herr Jesus Christus», «Jesus Christus, unser Herr»; doch wenn «Jesus» für sich verwendet wird, bezieht es sich stets zurück auf sein Leben in der Erniedrigung, als er die Gestalt eines Menschen annahm. Er wurde «in Gebärden als ein Mensch erfunden» (Phil. 2,7). Das Wort «Gebärden» ist an dieser Stelle ein interessantes Wort. Es bedeutet, dass er der äußeren Erscheinung nach, gemäß allen äußeren Beurteilungen, er wie jeder andere Mensch war. Ein anderes Wort wurde für das gebraucht, was er innerlich war; das war etwas Anderes. Doch hier hat er äußerlich die Gestalt eines (gewöhnlichen) Menschen angenommen, und indem er dies tat, trug er den Namen Jesus, den gewöhnlichsten Namen in Palästina: Jesus, Joschua; so führt uns dieser Name zurück zu dem Tag, da er durch all das hindurchging, was in ihm selbst eine geistliche Geschichte begründete - geprüft, getestet, in allem versucht wie wir (Hebr. 4,15); so dass man seltsamerweise von ihm sagen konnte, er sei «durch Leiden vollkommen gemacht worden» (Hebr. 2,10). «Obwohl er Sohn war, lernte er Gehorsam durch das, was er litt» (Hebr. 5,8). Geschichte wurde gestaltet in seinem Menschsein. Es war ein Mensch, der am Lernen war. Niemand soll glauben, ich würde seine Gottheit beiseite schieben; doch hier ist ein Mensch, ein menschliches Wesen - in der Tat fleischgewordener Gott, doch hier in der Gestalt eines menschlichen Wesens - der alles wusste über das menschliche Leben, der eine menschliche Geschichte durchlief, aus der, wie wir in diesen Seiten so sehr aufzuzeigen versuchten, diese wahren und inneren Werte hervorkommen sollten, die für alle Zeitalter andauern sollten. Das geschah alles während seines Menschseins, und nun stellt er sich selbst den Gemeinden dar - «Ich, Jesus» - die Summe einer geistlichen Geschichte im Leben eines Menschen, etwas Vollendetes in menschlicher Gestalt.

«Ich, Johannes». Ja, Johannes wird zugestanden, zu sagen - zwar auf einer viel kleineren Ebene - «Was ich schreibe, was ich mich zu schreiben anschicke, ist nicht etwas, das auf mechanische Weise zu mir gekommen ist; es sind Dinge, die unsere Augen gesehen, unsere Hände betastet haben, etwas, das in eine vitale Beziehung zu uns getreten ist, das Teil von uns geworden ist, so dass wir jetzt in der Lage sind, wo es uns erlaubt ist, uns selbst in Bezug auf das Zeugnis von Jesus zu erwähnen». «Ich, Johannes... für das Zeugnis Jesu».

Und Paulus - «Ich, Paulus»: Er darf sich selbst ins Blickfeld bringen, und zwar mit der Autorität eines Mannes, der eine Geschichte hinter sich hat. «Ich kenne einen Menschen... in der dritten Himmel entrückt. Und ... er ... hörte unaussprechliche Worte» (2. Kor. 12,2-4). «Dies wurde zur Substanz meines eigentlichen Wesens. Ich spreche zu euch nicht von abstrakten Wahrheiten; ich spreche zu euch von etwas, das mir widerfahren ist. Ich bin da hinein gezogen worden, und es ist in mich hinein gewirkt worden. In Tat und Wahrheit ist es mich selbst geworden, und ich es selbst; darum ist mir gestattet, zu sagen: «Ich, Paulus, sage euch».

War das nicht auch bei Daniel genau so? «O vielgeliebter MANN» (Dan. 10,19). Nicht «O vielgeliebter Prophet», «O vielgeliebter Diener des Herrn», «O vielgeliebter Exponent göttlicher Wahrheit», sondern «O vielgeliebter MANN». «Ich, Daniel»: Ihr seht den Mann - ist der Mann Gottes, der Mann im Herrn, der Mann in Christus.

Wenn ich das Wort «Mann» oder «Mensch» benutze, rede ich natürlich vom Menschsein - das schließt auch die Frau mit ein. Es ist das, wonach Gott strebte. Es waren alles menschliche Wesen. Johannes war ein menschliches Wesen. Paulus war ein menschliches Wesen. Daniel war ein menschliches Wesen. Christus war ein menschliches Wesen; er war ein menschliches Wesen plus - das mächtige Plus der Gottheit. Es ist das, worin Gott etwas von sich selbst zu einem Bestandteil des menschlichen Lebens machte, und indem er dies tat, konstituierte er das Zeugnis Jesu.

Nun, ihr seht, worauf Gott hinaus will. Gott hat nicht im Sinn, aus euch einen Bibellehrer, einen Prediger, einen Missionar, einen christlichen Mitarbeiter zu machen. Diese Dinge mögen zwar entstehen, es mag bloß eine Form sein, die andere annehmen mögen, aber vor, über und durch und nach allem sind wir selbst es, hinter denen Gott her ist, und darum nimmt er sich solch unendliche Mühe mit uns. Bitte versteht das, weil ihr den Herrn missversteht, solange ihr das nicht erkennt. Ihr geht die ganze Zeit eurem Werk nach, eurem Beruf, eurer Funktion; ihr seid um Dinge besorgt. Der Herr aber ist um EUCH besorgt, und wenn der Herr die Dinge zeitweilig suspendiert, dann lasst euch deswegen nicht in einen schrecklichen Zustand bringen und regt euch nicht über den Herrn auf. Er ist hinter euch her. Er ist mehr um euer Menschsein besorgt als um irgend etwas anderes. Wenn er das in Christus, Christus gemäß, hat, wird alles andere spontan fließen. Ihr braucht keinerlei Uniform anzuziehen, ihr braucht euch keinen Titel oder Namen zu verschaffen; ihr braucht nicht nach irgend einer besonderen Bezeichnung genannt zu werden. Ihr werdet das sein, und was spielt da alles übrige für eine Rolle? Es spielt überhaupt keine Rolle. O, lasst uns doch die Leere von Namen erkennen - Diener Gottes, Pastor, lehrer und all das - wenn das nicht vorhanden ist, was sie bedeuten. Doch wenn es vorhanden ist, ist das andere (die Bezeichnung bzw. der Name) nicht mehr nötig.

«Ich, Jesus», und dann, neben ihm als dem großen Haupt stehend «Ich, Johannes», «Ich, Paulus», «Ich, Daniel», und «Ich-» - ihr könnt euren Namen hier einsetzen, wenn das zutrifft.

In Übereinstimmung mit dem Wunsch von T. Austin-Sparks, dass das, was er frei erhalten hat, weitergegeben und nicht gewinnbringend verkauft werden sollte und dass seine Botschaften Wort für Wort reproduziert werden, bitten wir Sie, diese Botschaften mit anderen zu teilen und frei anzubieten, um seine Wünsche zu respektieren - frei von jeglichen Änderungen, kostenlos (außer notwendigen Vertriebskosten) und mit dieser Erklärung inklusive.