von T. Austin-Sparks
Kapitel 2 - Die Frage der Geistlichen Sicht
Schriftlesung: Num. 24.3-4; Mk. 10,46.51-52; Mk. 8,23-25; Joh. 9,1.7.25; Eph. 1,17-19; Offenb. 3,17; Apg. 26,17-18.
Am Anfang unserer vorausgehenden Betrachtung redeten wir von der Wurzelkrankheit unserer Zeit, nämlich von der geistlichen Blindheit. Wir nahmen uns die Abschnitte, die wir gelesen haben, vor und stellten fest, wie sie, allgemein gesprochen, die ganze Breite der geistlichen Blindheit und der geistlichen Sicht abdeckten. Dann gingen wir weiter und sprachen über den allgemeinen Faktor in all diesen Fällen, nämlich, dass geistliche Sicht stets ein Wunder ist. Niemand besitzt von Natur aus echte geistliche Sicht. Sie ist etwas, das als direkter Akt von Gott vom Himmel kommt, eine Fähigkeit, die nicht natürlicherweise vorhanden ist, sondern die geschaffen wurde. So findet sich die eigentliche Rechtfertigung für das Kommen Christi vom Himmel in diese Welt in dieser Tatsache, dass der Mensch blind geboren wurde und eine Heimsuchung vom Himmel dringend benötigte, die ihm Sicht verleihen konnte. Schließlich erkannten wir, dass die geistliche Sicht zu verlieren bedeutet, das wunderhafte Element im Christenleben zu verlieren; und genau das war das Problem von Laodizea. Wir gingen weiter und erkannten, dass, was in dieser Stunde dringend nottut, Leute sind, die wirklich sagen können: Ich sehe! Stellt euch doch vor, ihr wärt blind geboren worden und hättet die Volljährigkeit erreicht, ohne irgend jemand oder irgend etwas sehen zu können, und plötzlich würden eure Augen geöffnet und ihr könntet alles und jedermann sehen. Die Empfindung eines Wunders würde vorliegen; die Welt wäre (für euch) eine wunderbare Welt. Ich nehme an, dieser Mann in Johannes 9 habe auf dem Weg nach Hause ständig ausgerufen: Es ist wunderbar, die Leute zu sehen, wunderbar, all diese Dinge zu sehen! Wunderbar! Das wäre wohl das Wort, das am meisten über seine Lippen kam. Ja, aber da gibt es ein geistliches Gegenstück dazu, und was dringend nötig ist, sind Leute, die jederzeit dieses geistliche Wunder in ihrem Herzen haben; das, was durch Offenbarung des Heiligen Geistes über sie herein gebrochen ist und ein ständiges und immer größer werdendes Wunder darstellt. Es ist eine neue Welt, ein neues Universum. Das ist die Not der Zeit – Ich kann sehen!
Nun, im letzten Abschnitt von unserer Betrachtung am Nachmittag sprachen wir von dem, was wir jetzt noch ein wenig weiter verfolgen wollen – nämlich, dass jede Phase des Christenlebens vom ersten Schritt bis zur Vollendung das Geheimnis genau dies sein muss: Ich kann (es) sehen; ich habe noch nie sehen können, wie ich jetzt sehe! Ich habe es noch nie so gesehen, ich habe es noch nie auf diese Weise betrachtet; jetzt aber sehe ich es sehe ich es!! So muss es auf unserem ganzen Weg sein, vom Start bis zum Ziel, sofern unser Leben ein echtes Leben im Geist ist. So wollen wir uns eine Weile lange über eine oder zwei Phasen des Christenlebens Gedanken machen, die von dieser großen Realität des Sehens aufgrund eines göttlichen Eingriffs regiert werden; und ihr werdet, während ich spreche, an eine ganze Menge von Schriftworten erinnert werden, und merken, wie viel über diese Angelegenheit in der Schrift steht.
Das Sehen bestimmt den Anfang des ChristenlebensWas ist der Anfang des Christenlebens? Er ist ein Sehen. Es muss ein Sehen sein. Schon die Logik der Dinge verlangt, dass es ein Sehen sein wird. Und zwar aus dem Grunde nämlich, weil das ganze Christenleben eine fortschreitende Bewegung entlang einer einzigen Linie und auf ein einziges Ziel hin ist. Und diese Linie und dieses Ende ist Christus. Das war der springende Punkt beim Blindgeborenen in Johannes 9. Ihr erinnert euch, wie Jesus, nachdem sie ihn hinaus geworfen hatten, ihn fand und zu ihm sprach: «Glaubst du an den Sohn Gottes?» Und er Mann antwortete und sprach: «Und wer ist er, damit ich an ihn glaube?» Jesus sagte zu ihm: «Du hast ihn schon gesehen; der, der mit dir spricht, ist es». Und er antwortete: «Herr, ich glaube». Und er fiel vor ihm nieder und betete ihn an. Das Ziel der geistlichen Sicht ist die Erkenntnis und die Anerkennung des Herrn Jesus, und so wird es auf dem ganzen Wege sein, von Anfang bis Ende.
Wir können sagen, unsere Errettung sei eine Folge dessen, dass wir uns als Sünder sahen. Doch wäre es dabei geblieben, dann wäre dies für uns ein armseliger Ausblick gewesen.
Nein, die ganze Angelegenheit summiert sich in dem, dass wir Jesus sehen: Und wenn ihr wirklich Jesus seht, was geschieht dann? Was geschah mit Saulus von Tarsus? Nun, eine ganze Menge von Dingen geschahen, und zwar gewaltige Dinge, die nichts sonst zustande gebracht hätte. Ihr hättet niemals Saul von Tarsus ins Christentum hinein argumentieren können; ihr hättet ihn auch nicht mit Drohen zum Christsein überreden können; ihr hättet ihn auch niemals mit Vernunftgründen oder Gefühlsausbrüchen dazu bringen können, ein Christ zu werden. Um diesen Mann aus dem jüdischen Kulturkreis heraus zu bringen, war etwas mehr nötig als das, was sich auf dieser Erde finden ließ. Doch er sah Jesus von Nazareth, und das brachte es zustande. Er war draußen, er war nun ein emanzipierter Mann, er hatte gesehen. Später, als er sich der großen Schwierigkeit der Judaisierer gegenübersah, die sich überall an seine Ferse hefteten und ihm folgten, um den Glauben seiner Bekehrten zu stören, um ihre Position in Christus zugrunde zu richten, so dass sie dazu neigten, abzufallen, falls sie es nicht schon waren (ich rede von den Bekehrten und den Gemeinden in Galatien), bringt er aufs Neue die ganze Frage zur Sprache, was denn ein Christ überhaupt ist, und er konzentrierte sie auf diesen einen Punkt, auf das, was sich auf der Straße nach Damaskus ereignet hatte. Man kann den Galaterbrief tatsächlich so zusammenfassen: ein Christ ist nicht jemand, der dies und jenes und noch etwas anderes tut, das zu tun vorgeschrieben wäre; ein Christ ist nicht jemand, der dies und jenes und noch etwas anderes nicht tut, weil es verboten ist; ein Christ ist nicht jemand, der von Äußerlichkeiten einer bestimmten Lebensweise beherrscht wird, etwa einer bestimmten Ordnung, einem legalistischen System, das sagt: Du musst, und du darfst nicht. Ein Christ ist in der Aussage umfassend dargestellt: «Es gefiel Gott wohl, Seinen Sohn in mir zu offenbaren» (Gal. 1,15-16). Das ist nur eine andere Art, zu sagen: Er öffnete meine Augen, um Jesus sehen zu können, denn die beiden sind ein und dasselbe. Die Dinge auf eine innere Weise zu sehen: Das macht uns zu einem Christen. «Denn Gott ... (ist) in unseren Herzen aufgeleuchtet zum Lichtglanz der Erkenntnis der Herrlichkeit Gottes im Angesicht Jesu Christi» (2. Kor. 4,6). «In unseren Herzen» - Christus, so im Innern mitgeteilt und geoffenbart ist das, was einen Christen ausmacht, und ein Christ wird bestimmte Dinge tun oder nicht tun, nicht aufgrund des Diktats durch irgend ein christliches Gesetz, sowenig wie durch ein jüdisches, sondern weil er innerlich durch den Geist, durch Christus im Herzen, geführt wird. Das macht einen Christen aus, und damit ist das Fundament gelegt für den ganzen Rest, bis hin zur Vollendung, weil es wachstümlich immer wieder so sein wird. So muss also das Fundament der auf ihm ruhenden Überstruktur entsprechen; sie bilden ein einziges Stück. Es ist ein Sehen, und es ist ein Sehen Christi.
Das ist eine kühne Feststellung, über die noch eine ganze Menge mehr gesagt werden könnte. Aber es ist eine Herausforderung. Wir müssen uns jetzt fragen: Auf welchem Fundament beruht unser Christenleben? Beruht es auf etwas Äußerem; auf etwas, das wir gelesen haben, auf etwas, das uns gesagt wurde, auf etwas, das uns befohlen wurde, auf etwas, zu dem wir unter Drohung gebracht wurden, oder auf einem Gefühlsausbruch, oder beruht es etwa auf diesem Fundament: «Es gefiel Gott wohl, Seinen Sohn in mir zu offenbaren?» Als ich Ihn sah, sah ich auch, was für ein Sünder ich war, und ich sah auch, was für ein Erretter Er ist; aber es war dieses Sehen, das es zustande brachte. Ich weiß, wie elementar das für eine Konferenz von Christen ist, aber es ist manchmal gut, seine Fundamente zu überprüfen. Wir kommen nie von diesen Fundamenten los. Wir werden nicht heranwachsen und ein wunderbares Volk sein, das das alles hinter sich gelassen hat. Es ist alles aus einem Stück. Damit sage ich nicht, wir würden unser ganzes Leben lang bei den elementaren Dinge bleiben, doch nehmen wir den Charakter unseres Fundamentes mit bis ans Ende. Die Gnade, die das Fundament legte, wird auch den Schlussstein hervorbringen mit dem Zuruf: «Gnade, Gnade!» Es wird immer dies sein: Die Gnade Gottes, die unsere Augen öffnet. Ich will nicht länger dabei verweilen.
Wir wollen zum Wachstum weitergehen. Genauso wie der Anfang durch Sehen zu-stande kommt, ist es auch mit dem Wachstum. Geistliches Wachstum ist vollständig eine Sache des Sehens. Ich möchte, dass ihr darüber nachdenkt. Wir müssen dafür sorgen, dass wir wachsen. Was ist geistliches Wachstum? Nun, antwortet sorgfältig, in eurem Herzen. Ich habe den Eindruck, dass es Leute gibt, die meinen, geistliches Wachstum bedeute, eine große Menge mehr Wahrheit zu kennen. Nein, nicht unbedingt. Ihr mögt auch an Erkenntnis zunehmen, während ihr heranwachst, das stimmt, aber es ist nicht nur das. Was ist Wachstum? Nun, es ist Gleichförmigkeit mit dem Bilde des Sohnes Gottes. Das ist das Ziel, und auf das hin bewegen wir uns fortschreitend und stetig und beständig. Volles Wachstum, geistliche Reife, gehört uns, wenn wir in das Bild des Sohnes Gottes umgewandelt worden sind. Das ist Wachstum. Wenn es denn so ist, dann will Paulus uns sagen: «Wir alle aber schauen mit aufgedecktem Angesicht die Herrlichkeit des Herrn an und werden so verwandelt in dasselbe Bild von Herrlichkeit zu Herrlichkeit, wie sie vom Herrn, dem Geist, geschieht» (2. Kor. 3,18). Gleichförmigkeit durch Sehen, Wachstum durch Sehen.
Nun, hier ist ein sehr kostbares und tiefes Prinzip enthalten. Wie können wir es illust-rieren? Gerade der Abschnitt, den wir eben zitiert haben, hilft uns, glaube ich. Die letzte Klausel liefert uns den Schlüssel - «Als durch den Herrn, den Geist» (2. Kor. 3,18c). Ich hoffe, dass ich nicht eine allzu abgedroschene Illustration verwende beim Versuch, dem Verständnis dieser Wendung auf die Beine zu helfen, wenn ich zu Elieser, dem Knecht Abrahams, zurückgehe, zu Isaak und Rebekka, zu jener klassischen Romanze im Alten Testament. Ihr erinnert euch: Der Tag kam, da Abraham alt wurde, seinen treuen Hausknecht Elieser herbeirief und sagte: «Lege deine Hand unter meine Hüfte und schwöre, dass du für meinen Sohn nicht eine Frau dieses Landes nehmen wirst; dass du vielmehr zu meiner eigenen Verwandschaft und Familie gehen wirst». Und er schwor. Und dann machte sich Elieser auf den Weg, wie ihr wisst, um mit den Kamelen in das ferne Land zu reisen quer durch die Wüste; unterwegs betete er, dass der Herr es ihm gelingen möge und Er ihm ein Zeichen gebe. Das Zeichen wurde ihm beim Brunnen gegeben. Rebekka ging auf den Mann ein, und, nachdem sie ein wenig gewartet hatte und mit der Herausforderung konfrontiert wurde und zur Entscheidung gedrängt wurde, entschloss sie sich, mit diesem Mann zu gehen. Unterwegs holte er die Schätze aus dem Hause seines Meisters hervor, Dinge, die vom Sohn seines Meisters stammten, und zeigte ihr diese; er beschäftigte sie die ganze Zeit über mit dem Sohn seines Meisters und den Dingen, die bewiesen, was für ein Sohn er war, welche Besitztümer er hatte und in was sie hinein kommen würde. Und dies ging so weiter durch die ganze Wüste hindurch, bis sie die andere Seite erreicht hatten und das Gebiet des Hauses seines Vater erreichten. Isaak war draußen auf dem Feld und war in Gedanken; sie erhoben ihre Augen und sahen ihn; und der Knecht sagte: «Dort ist er!» Dieser eine, von dem ich die ganze Zeit mit dir geredet habe, der Mann, dessen Besitz ich dir gezeigt habe: Dort ist er! Und sie stieg vom Kamel herunter. Glaubt ihr, es sei ihr fremd vorge-kommen, so als komme sie von einem fernen Land? Ich denke, der Zweck von Eliesers Dienst bestand darin, sie dazu zu bringen, dass sie sich wie Zuhause fühlte, dass sie das Gefühl hatte, den Mann bereits zu kennen, den sie heiraten würde. Diese Sache war für sie nichts Fremdes mehr, sie fühlte keine Traurigkeit oder sonst irgend ein fremdes Element darin. Ihre Wege vereinigten sich ganz einfach, nicht wahr? Es war die Vollendung eines ganzen Prozesses. «Als durch dem Herrn, dem Geist». Der Herr Jesus sagte: «Wenn aber jener... gekommen ist, ... denn von dem Meinen wird er nehmen und euch verkündigen». «Denn Er wird nicht aus sich selber reden, sondern was Er hören wird, wird Er reden ... denn von dem Meinen wird Er nehmen und euch verkündigen» (Joh. 16,13.14). Der Geist, der treue Diener im Hause des Vaters, ist geradewegs durch die Wüste gekommen, um eine Braut zu finden für Seinen Sohn, von seinem eigenen Fleisch und Blut. Ja, es gibt Raum hier, sich zu wundern. «Weil nun die Kinder Fleisches und Blutes teilhaftig sind, hat auch Er in gleicher Weise daran teilgehabt» (Hebr. 2,14). «Denn sowohl der, welcher heiligt, als auch die, welche geheiligt werden, sind alle von einem» (Hebr. 2,11). Der Geist ist gekommen, um diese Braut jetzt sicher zu stellen, eins mit Ihm, von Seinem Fleisch und Gebein. Doch der Heilige Geist möchte, dass wir uns die ganze Zeit mit dem Herrn Jesus beschäftigen, indem Er uns Seine Dinge zeigt. Zu welchem Zweck? Damit wir uns nicht als Fremde fühlen, wenn wir Ihn sehen; wir sollten nicht das Gefühl haben, dass wir von einer bestimmten Art sind und Er von einer anderen, sondern dass es einfach so sein sollte: «Das ist jetzt bloß der letzte Schritt von vielen andern, die hierher geführt haben, und jeder Schritt hat dies Einheit noch vollkommener, diese Harmonie noch vollständiger werden lassen. Am Ende, ohne irgend eine große Krise, kommen wir ganz einfach an. Wir sind die ganze Zeit über schon angekommen, und dies ist nur noch der letzte Schritt dazu. Das ist Gleichförmigkeit mit Seinem Bild, das ist geistliches Wachstum: Denn Herrn kennen lernen und werden wie Er, lernen, sich bei Ihm vollkommen zuhause zu fühlen, so dass da kein Zusammenprall, keine Fremdheit, keine Unstimmigkeit, keine Distanz vorhanden ist. Einheit mit dem Herrn Jesus, die ständig tiefer wird bis zur Vollendung: Das ist geistliches Wachstum. Ihr seht, es ist wiederum etwas Inwendiges, und es ist bloß die Entwicklung jener Initiation, jenes Anfangs. Wir haben sehen gelernt und sehen, und sehen und sehen, und indem wir sehen, werden wir verändert.
Trifft dies auf alles zu, von dem ihr glaubt, es zu sehen? Wir müssen alles prüfen, was wir zu sehen und aufgrund seiner Auswirkungen auf unser Leben zu kennen glauben. Wir, ihr und ich, mögen eine enorme Menge von Dingen haben, von denen wir glauben, es sei geistliche Erkenntnis; wir haben all die Lehren, alle Wahrheiten. Wir können den ganzen Umfang evangelikaler Lehrgebäude übersichtlich ordnen, und was kommt dabei heraus? Es ist kein Sehen, ihr Lieben, in einem vollen, geistlichen Sinne, wenn es uns nicht verändert. Jawohl, Sehen bedeutet, verändert zu werden; und es handelt sich nicht um ein (echtes) Sehen, wenn es nicht genau das bewirkt. Es wäre weit besser, wir würden das alles über Bord werfen und ließen uns ganz einfach an den Punkt bringen, wo wir wirklich ein ganz kleines Bisschen zu sehen beginnen, wodurch dann alles anders würde. Wir müssen diesbezüglich sehr ehrlich sein vor Gott. O, möchten wir nicht viel lieber ein ganz kleines Bisschen haben, dass hundert Prozent wirksam geworden ist, als einen ganzen Berg von Erkenntnis, von dem neunzig Prozent überhaupt nichts taugt? Wir müssen den Herrn bitten, uns daran zu hindern, dass wir über das geistliche Leben hinaus voranschreiten; damit meine ich, in der bloßen Erkenntnis voranschreiten, eine ganz bestimmte Erkenntnis, ein bloß angenommenes Wissen. Ihr wisst, was ich meine. Echtes Sehen, sagt Paulus, bedeutet, verwandelt zu werden, und verwandelt zu werden ist eine Angelegenheit des Sehens, als durch den Herrn, den Geist. So wollen wir beten, dass wir sehen lernen.
Einige unter uns kannte ihre Bibel, wir kannten unser Neues Testament, wir kannten den Römerbrief, kannten den Epheserbrief; wir glaubten, wir würden sehen. Wir konnten sogar Vorträge halten über die Bibel und diese Bücher und über die darin enthaltenen Wahrheiten, und wir taten dies viele Jahre lang. Dann, eines Tages, sahen wir; und die Leute sahen, dass wir sahen, und sagten: Was ist mit diesem Prediger geschehen? Er sagt nichts anderes, als was er immer schon gesagt hat, aber dennoch besteht ein Unterschied; er hat etwas gesehen! Das ist es!
Und natürlich muss das uns zum nächsten Punkt führen, obwohl wir uns sehr kurz fassen wollen. Was auf den Anfang des Christenlebens zutrifft, und was auch für das Wachstum gilt, gilt auch für die Angelegenheit des Dienstes. Meint jedoch nicht, ich rede jetzt zu einer bestimmten Klasse von Leuten, die wir gewöhnlich «Diener Gottes» nennen. Dienst ist, wie wir schon vorhin bemerkt haben, eine Sache der geistlichen Behilflichkeit. Jede Art von Dienst, der nicht geistlich hilfreich ist, ist kein wahrer Dienst, und jeder, der geistlich hilfreich ist, ist ein Diener Christi. So befinden wir uns, nach Gottes Plan, alle im Dienst. Nun, wenn dem so ist, sind wir alle betroffen, werden wir alle vom gleich Gesetz beherrscht. Geistlich hilfreich zu sein ist eine Sache des Sehens. Ihr wisst, dass der 2. Korintherbrief der Brief ist im Neuen Testament, der am meisten mit dem Dienst zu tun hat. «Darum, da wir diesen Dienst haben» (2. Kor. 4,1). – und worin besteht dieser Dienst? Nun, «Gott ... ist in unserer Herzen aufgeleuchtet» (4,6). Es ist uns wohl bekannt, dass Paulus, als er diesen Teil des Briefes schrieb, im Hinterkopf Moses hatte, den Diener Gottes. Das ist die Bezeichnung, unter der wir Moses kennen, als den Diener (oder: Knecht) Gottes, und Paulus bezieht sich hier auf Moses, wie er seinen Dienst erfüllte, indem er aus dem Gesetz vorlas und dabei ein Tuch vor sein Gesicht hängen musste wegen der Herrlichkeit, weil die Leute ihn sonst nicht anblicken konnten. Und doch handelte es sich dabei um eine Herrlichkeit, die vorüber ging. Und nun, sagt Paulus, sei Gott in dem Dienst, den er uns aufgetragen hatte, im Inneren aufgeleuchtet, und wir benötigten deshalb kein Tuch (keinen Vorhang) mehr. In Christus sei der Vorhang entfernt worden; und was ihr sehen solltet, ist Christus in uns, und Christus sollte so von uns an andere ausgeteilt werden, wie wir Ihn gesehen haben, da wir die Gefäße sind, die Christus ins Blickfeld bringen. Das ist geistliche Behilflichkeit, das ist wahrer Dienst, nämlich, Christus sichtbar zu machen, und «wir haben aber diesen Schatz in irdenen Gefäßen, damit das Übermaß der Kraft von Gott sei und nicht aus uns» (4,7). «Wir sind ...», und dann folgt eine ganze Liste von Dingen, die uns in Pflicht nehmen. Doch sagt er hier im Klartext: Es ist Christus! Wenn wir zur Rechenschaft gezogen werden, wenn wir verfolgt, gejagt, niedergedrückt werden, wenn wir ständig das Sterben des Herrn Jesus in unserem Leibe mit uns tragen, so ist das bloß Gottes Art, Christus ins Blickfeld zu rücken. Wenn wir gejagt und verfolgt und niedergedrückt werden, und dabei die Gnade des Herrn Jesus ausreicht, und wenn ihr dann seht, wie in diesem Leiden und in dieser Prüfung die Gnade des Herrn Jesus zur Schau gestellt wird, dann sagt ihr: Das ist ein wundervoller Christus! Ihr seht Christus, und durch unser Leiden wir Christus an andere ausgeteilt. Das ist geistliche Behilflichkeit.
Wer hat euch am meisten geholfen? Ich weiß, wer mir am meisten geholfen hat. Es ist keiner auf einer Kanzel gewesen. Es war jemand, der viele Jahre lang durch intensive und schreckliche Leiden gegangen ist, und in dem die Gnade Gottes ausreichend war. Ich war fähig, zu sagen, wenn ich durch solche Leiden hindurchgehen muss, dann lohnt es sich, ein solches Christentum zu haben, dann lohnt es sich, einen solchen Christus zu haben. Das half mir am meisten, das ist es, was ich sehen möchte. Bitte, predige mich nicht an; lebe aus, und du hilfst mir am meisten. Es ist eine Inspiration, gewiss, oder sollte es wenigstens sein, zu sehen, dass es unsere Prüfungen und Widrigkeiten sind, in denen die andern den Herrn sehen können und durch die ihnen geholfen wird. Wie wir durch Trübsale hindurch gehen, ist das, was irgend jemandem besser hilft als alles, was wir ihnen sagen können. O, möge der Herr uns decken, wenn wir so etwas sagen, denn wir wissen um unsere eigene Gebrechlichkeit, wie wir vor Ihm versagen unter Trübsal. Aber das ist es, was Paulus hier über den Dienst sagt. «Wir haben diesen Schatz in irdenen Gefäßen ... wir werden verfolgt, gejagt, niedergedrückt, wir tragen allezeit das Sterben unseres Herrn Jesus an unserem Leibe herum». Doch war bei Paulus das Ende von all dem: «Sie verherrlichten Gott in mir» (Gal. 1,24). Was wollt ihr mehr als das? Das ist Dienst. Wenn wir, ihr und ich, dies jederzeit sagen könnten, dann hätten wir nicht vergeblich gelebt. Wir würden einigen geholfen haben, wenn von uns gesagt werden könnte: «Sie verherrlichten Gott in mir».
Doch es geht um das Sehen; wenn wir geistlich hilfreich werden wollen, müssen wir sehen, damit andere selbst einen Grund finden, um zu sehen. Ich formuliere es so: Weil wir sehen, und weil wir das weitergeben, was wir sehen, werden wir zu lebendigen Briefen, doch sehen andere vielleicht nicht. Dennoch ist der Grund gelegt, damit auch sie sehen können, und wenn sie im Herzen ehrlich und unvoreingenommen sind, wirklich für den Herrn offen, wird er bewirken, dass sie sehen, was der Herr uns und in uns geoffenbart hat, und Er wird versuchen, sich selbst durch uns zu offenbaren. Er muss lebendige Briefe haben, Männer und Frauen, in denen Er gelesen werden kann. Das ist Dienst.
Nun, dass wir anderen dienen und selber Dienst empfangen können, ist alles eine Sache des göttlichen Gnadenwirkens, das uns die Augen öffnet. Ich denke, wir können das so belassen, und es richtet einen großen Appell an unsere Herzen, den Herrn zu suchen, damit unsere Augen geöffnet werden. Es ist nie zu spät, geistliche sicht zu empfangen, wie blind auch immer wir gewesen sein mögen, und wie lange schon, wenn wir es mit dem Herrn wirklich ernst meinen. Doch vergesst nicht, dies ist eine Sache der Ehrlichkeit vor Gott. Der Herr sagte etwas Wunderbares über Nathanael. Nathanael kam gefährlich nahe an jene doppelte Blindheit heran. In dem Augenblick, als er sich erlaubte, dem populären Vorurteil Ausdruck zu geben, befand er sich sehr nahe an der Gefahrenzone. Er sagte: «Kann von Nazareth irgend etwas Gutes kommen?» Das ist ein populäres Vorurteil. Ein allgemein verbreitetes Vorurteil hat schon manchen Mann und manche Frau dessen beraubt, dass sie Gottes vollere Gedanken hätten kennen lernen können. Vorurteile können viele Formen annehmen. Lasst uns vorsichtig sein. Doch Nathanael wurde gerettet. Der Herr Jesus sagte: «Von nun an werdet ihr den Himmel offen sehen und die Engel Gottes auf- und niedersteigen auf den Sohn des Menschen» (Joh. 1,51). «Von nun an...» - Natürlich meinte er damit «in den Tagen des Geistes». «Als durch den Herrn, den Geist» würde Nathanael sehen. Gut, er befand sich in Gefahr, aber er entkam ihr.
Wenn ihr durch euer Vorurteil in Gefahr seid, dann nehmt euch in Acht; gebt euer Vorurteil auf, habt ein offenes Herz. Seid ein Israelit, in dem kein Jakob steckt, kein Betrug; habt ein offenes Herz, und ihr werdet sehen.
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