Austin-Sparks.net

Die Wiederherstellung des Zeugnisses Gottes in seiner Fülle

von T. Austin-Sparks

Kapitel 1 - Die erste Bewegung

Und ich sandte Boten zu ihnen und ließ ausrichten: «Ich tue ein großes Werk, so dass ich nicht hinab kommen kann weshalb sollte das Werk liegen bleiben, während ich zu euch hinab komme?» (Nehemia 6,3).

«Und ich stand in der Nacht auf, ich und ein paar Männer mit mir, ich erzählte keinem Menschen, was mir mein Gott ins Herz gegeben hatte, um es für Jerusalem zu tun» (Nehemia 2,12).

Diese beiden Fragmente - «Ich tue ein großes Werk», «was mir mein Gott ins Herz gegeben hatte, um es zu tun» - liefern uns einen Einstieg in die große Sache, die geschichtlich im Buch Nehemia dargestellt wird.

Drei Dinge, die zur Fülle des Christentums wichtig sind

Es sind drei Dinge, die zu einem angemessenen Leben mit Gott, zu einer Fülle des Christenlebens, wesentlich sind: Erstens die Erkenntnis (oder: die Einsicht), dass Gott es mit der Verwirklichung von etwas zu tun hat, das Seiner Selbst würdig ist. Wir werden in Richtung eines vollen Christenlebens, oder eines Lebens mit Gott, nicht sehr weit kommen, bis es uns dämmert und uns klar wird, dass Gott sich mit der Verwirklichung von etwas beschäftigt, das Seiner würdig ist. Das zweite ist, dass den Leuten bewusst wird, was dieses große Etwas im Herzen Gottes ist, was das ist, was Gott so beschäftigt, und dann, dass sie dazu bewegt werden, mit Ihm darin zusammenzuarbeiten.

Und dann, an dritter Stelle, dass wir erkennen, dass dieser Gegenstand im Herzen Gottes und dieses Zusammenarbeiten durch Sein Volk einen echten Konflikt und einen Preis mit sich bringen, und dass Sein Volk diesen Dingen ins Auge blicken und bereit sein muss, sie anzunehmen, Diese drei Dinge umfassen die Elemente und Aspekte eines vollen Lebens mit Gott, und nicht eines von ihnen darf fehlen. Gerade dieser Konflikt und der Preis, den er mit sich bringt, sind in sich selbst schon Beweis für den Wert der Sache, in die das Volk Gottes hinein gebracht worden ist und die dem Herzen Gottes so kostbar ist. Wo kein Konflikt stattfindet und kein Preis gefordert wird, ist Grund für das Gefühl vorhanden, dass das, was dabei herauskommt, sich nicht lohne. Ich glaube, dass es jedenfalls die Ansicht der Apostel war, dass der Konflikt Bestandteil dieser so großen und so hohen Berufung war.

So haben wir also hier im Buche Nehemia diese drei Dinge in einer sehr um-fassenden und sehr starken Weise vor uns ausgebreitet. Es sind dies: ein großer Preis, ein großes Werk, ein großer Konflikt.

Das Buch Nehemia ist, wie ihr wohl wisst - und übrigens Nehemia selbst - eine große historische Illustration einer viel größeren geistlichen Wirklichkeit. Was wir hier auf Erden als wirkliche Geschichte vor uns haben, ist bloß eine Spiegelung dessen, was in diesem Zeitalter im geistlichen Bereich vor sich geht, und was in diesem Heilsabschnitt so viel größer ist als alles, was sich in vergangenen Tagen auf der Erde ereignet hat.

Nun, hier haben wir diese drei Aspekte vor uns; es sind: die Mauer, oder ihren Wiederaufbau - das ist der Gegenstand, das ist das Ziel, das ist das, was ins Auge gefasst wurde. Dann haben wir das Werk des Wiederaufbaus und die Arbeiter, und ferner haben wir, Hand in Hand mit dem Ziel und dem Werk, den Kampf. Die Mauer, das Werk, den Kampf, oder, mit andern Worten die Berufung, die Durchführung und den Konflikt. Diese umfassen das, was wir in unserer heutigen Sprache die Wieder-herstellung und die Vollendung des Zeugnisses des Herrn nennen, denn genau das ist es, was uns diesmal beschäftigen soll. Und so können wir über die ganze Angele-genheit dieses kleine Fragment setzen: «Ein großes Werk» - «Ich tue ein großes Werk»; und mit diesem großen Werk werden wir uns befassen, so wie der Herr uns führt.

Gottes Reaktion in Tagen geistlichen Zerfalls

Nehemia ist der letzte große Charakter des alten Testaments, und sein Buch ist das letzte historische Buch des alten Testaments. Jenen, die der chronologischen Anordnung der alttestamentlichen Bücher keine Bedeutung beimessen, werden diese Tatsachen wohl kaum etwas sagen. Weil das Buch Nehemia in unseren Bibeln lange vor dem Ende des Alten Testaments vorkommt, nehmen viele an, es gehöre chronologisch gesehen einer viel früheren Epoche an, aber eigentlich sollte es zusammen mit den Prophezeiungen von Maleachi eingeordnet werden. Wenn wir zu Nehemia kommen, befinden wir uns in der gleichen Zeit wie der Prophet Maleachi. Haggai und Sacharja richteten ihre Prophezeiungen aus und verschieden. Se-rubbabel, der Gouverneur, und Josua, der Hohepriester, haben ihren Dienst erfüllt, Auch Esra hat seinen Teil am Werk beigetragen, und die eben erwähnten Propheten haben das Volk dazu inspiriert, den Wiederaufbau des Tempels zu vollenden. Dann aber setzte eine Phase geistlichen Niedergangs ein. Große Dinge hatten sich unter Haggai, Serubbabel, Josua, Sacharja ereignet, aber die Herrlichkeit verblasste, die Verheißung schien nur für kurze Zeit ihre Wirkung auszuüben. Dann kommen wir zu Maleachi - ihr kennt den Inhalt der Prophezeiungen von Maleachi. In der Tat, "ein strahlender Morgen ist vorübergegangen"; die Dinge wurden von Wolken überzogen; tiefe Schatten geistlichen Niedergangs füllten den Himmel über Jerusalem; und all jene traurigen, ja schrecklichen Dinge, die Maleachi erwähnt, kommen schließlich unter dem Volk Gottes vor, so dass sich nur innerhalb des Überrestes, der aus der Gefangenschaft zurückgekehrt war, noch ein Rest des Überrestes befand - «Jene, die den Herrn fürchteten» (Mal. 3,16); und in diese Zustände, mitten in eine solche Lage hinein, kam Nehemia, um seinen Dienst zu erfüllen. Dieser Mann kam nach Jerusalem und machte sich an das Unternehmen, das am Anfang des Buches erwähnt wird und das seinen Namen trägt - an den Wiederaufbau der Mauer, Ich meine, dies berge in sich eine wunderbare, ja inspirierende Bedeutung: dass Gott an einem Tag, an einem solchen Tag, an dem Maleachi prophezeite und seine schrecklichen Worte vom Herrn äußerte, es nicht aufgegeben hat, dass der Herr aufs Neue handelt. und dieser Wiederaufbau der Mauer ist Gottes Handeln an einem Tag geistlichen Niedergangs. Es springt uns beinahe in die Augen, dass Gott letzten Endes, selbst wenn es am schlimmsten steht, dennoch an der Wiederherstellung und Vollendung Seines Zeugnisses festhält. Es ist äußerst eindrucksvoll, dass das Buch Nehemia - das letzte historische Buch des Alten Testaments, mit Nehemia, dem letzten großen Mann des Alten Testaments - an einem Tag schrecklichen geistlichen Zerfalls dadurch charakterisiert wird, dass Gott in Bezug auf Sein Zeugnis aufs Neue zu handeln beginnt. Manchmal sind wir versucht zu glauben, die Zeit sei verstrichen und die Zustände seien zu schlecht, und wir könnten im Blick auf die Zustände nicht mehr viel erhoffen. Aber dieses Buch und dieser Mann erteilen einem solchen Pessimismus einen recht gesunden Verweis.

Wehen im Gebet

Nun, bevor wir die drei Hauptaspekte der Mauer, des Werkes und des Kampfes auf-greifen, müssen wir mit einem entscheidenden Faktor beginnen, der in Nehemia selbst verkörpert ist. Wir müssen dabei ein wenig zurückblicken, denn die Sache begann viele Jahre zuvor, mehr als siebzig Jahre früher, und sie nahm ihren Anfang im Herzen des Propheten Jeremia. Jeremia war ein Mann mit einem gebrochenen Herzen, ein Mann mit einem kummervollen Geist - ein Mann, dessen Herzen gebrochen und dessen Geist kummervoll war, weil der Zustand unter dem Volk des Herrn so schlimm war, und in seinen Wehen erfüllte Jeremia seinen Dienst, und äußerte dabei eine Erklärung, eine Prophetie, dass das Volk für siebzig Jahre in die Gefangenschaft gehen würde. Und wie wir wissen, ist es auch so gekommen Dann, als die siebzig Jahre beinahe zu Ende waren, nahm ein Mann mitten im Herzen der Situation in Babylon Jeremias Wehen auf. Jeremia erfüllte seinen Dienst der Wehen Daniel nahm die Wehen im Gebet auf sich. Daniel berichtet uns (Kapitel 9), dass er "durch die Bücher" darauf aufmerksam gemacht wurde, dass die Gefangenschaft siebzig Jahre dauern würde. Und nun sah er, dass diese siebzig Jahre ihrem Ende entgegen gingen. deshalb gibt er sich intensivem Gebet hin. Beachtet- ein Dienst der Wehen durch Jeremia, ein erleuchteter Fürbittedienst unter Wehen durch Daniel - denn er nahm die Zeit wahr, in welcher er lebte, Er gelangte dahin, dass er "durch die Bücher` erkannte, dass die Zeit erfüllt war, so nahm er die Wehen auf sich, in diesem ungeheuren Gebet im neunten Kapitel des Buches Daniel.

Gottes souveräne Reaktion

Nun folgt die nächste Bewegung. Weil die Zeit gekommen ist und Gott Sich aufs Neue in Bewegung setzt für die Wiederherstellung Seines Zeugnisses, erweckt Er souverän den Geist des Kyrus, der ein Dekret erlässt, und der Überrest kehrt nach Jerusalem zurück Die letzten zwei Verse des zweiten Chronikbuches, stellt, wie ihr wisst, diese Tatsache fest, und dann wiederholen die darauf folgenden ersten Verse des Buches Esra die genau gleichen Worte. "Der Herr erweckte den Geist von Kyrus, König von Persien», und Esra war eine Frucht dieser souveränen Bewegung Gottes. Als Esra seinen Teil des Dienstes erfüllt hatte, kommen wir zu Nehemia, und wir finden wiederum, wie dieser entscheidende Faktor aufgegriffen wird, der zur Zusammenarbeit mit Gott geführt hatte. Im ersten Kapitel Nehemias, ja bis ins zweite Kapitel hinein, sehen wir, wie Nehemia von diesen Wehen gepackt, tief und schrecklich gepackt worden ist - diese Wehen, die in Jeremia begannen, die im Herzen Daniels weit weg in Babylon geboren wurden. Hier sind sie in Nehemia - Wehen, die ein Echo des Herzens Gottes im Blick auf Sein Volk sind. Wir müssen eine große Menge prophetischer Äußerungen in diese Situation hineinpassen, um den Schrei all jener Propheten zu hören, indem sie damit Gottes Gedanken und Gottes Herz in Bezug auf den Zustand Seines Volkes ausdrücken, Nun, dieser Schrei - oder sagen wir besser - dieser Schluchzer im Herzen Gottes wurde in diesem Menschen geboren, er findet seinen Höhepunkt, wenigstens was das Alte Testament betrifft, im Herzen Nehemias.

Beachtet bitte, bevor wir weitergehen, diese beiden Faktoren, diese beiden Aspekte. Erstens: Gott handelt souverän. Damit beginnt die Bewegung. Gott erweckte den Geist von Kyrus; ihr habt jene wunderbare Bewegung göttlicher Souveränität, wie sie im Buch Esra geschildert wird. Jene unter euch, die mit diesem Buch vertraut sind, werden sich sofort an die wunderbaren Erleichterungen erinnern, die Gott durch den persischen Herrscher für den Wiederaufbau des Tempels zustande brachte, für alles Nötige wurde gesorgt, jede Anordnung wurde getroffen, damit die Sache geschehen konnte, Gott handelte souverän. Das ist eine Seite.

Der Mensch, der in Gemeinschaft mit Gott leidet

Hier in Nehemia jedoch habt ihr die andere Seite - den Menschen, der in Gemeinschaft mit Gott leidet, Esra drückt die Souveränität Gottes aus, Nehemia zeigt die Gemeinschaft (Anteilnahme) des Menschen mit Gott Bei Esra ist es Gott, der direkt und unabhängig handelt, bei Nehemia ist es der Mensch, der mit Gott handelt, oder Gott, der durch den Menschen handelt. Diese beiden Dinge gehen immer zusammen - denkt daran. Wir dürfen nie meinen, weil Gott souverän ist und Seine Vorsätze feststehen und abgemacht sind, und weil Er tun kann, was Er will, weil Er unabhängig handeln kann und Sich Selbst genug ist, Handle Gott in der Tat (nur) so. Er hat nie so gehandelt. Seit Seiner Schöpfung hat Er den Menschen stets in Seine Gemeinschaft für Seine souveränen Ziele aufgenommen - in eine tiefe Gemeinschaft, in eine Gemeinschaft, die Wehen mit sich brachte. Wie groß deshalb auch immer die Not sein mag, was auch immer gefordert wird, welches auch immer der Ruf oder die Tragödie sei, die es notwendig machen, dass Gott zuallererst souverän handelt, Er wird es nicht tun, es sei denn, Er finde ein Instrument, das die Gefühle Seines Herzens mit Ihm teilt, das Seine Herzenslast trägt, das in eine Zusammenarbeit des Herzens mit Ihm tritt.

Ein solcher war Nehemia. Was die praktische Seite in dieser abschließenden Bewegung Gottes in jenem Heilsabschnitt betrat, so fing alles im Herzen Nehemias an Das Herz dieses Mannes wird im ersten Kapitel des Buches geoffenbart, Es ist deshalb im Blick auf unsere Tage sehr notwendig - ich will hier nun nicht versuchen, eine Parallele zwischen unserer Zeit und der Zeit Nehemias zu ziehen, denn diese liegt auf der Hand und ist jedem offensichtlich, der geistlich unterscheiden kann - aber wenn Gott heute im Blick auf die Wiederherstellung und die Vollendung Seines Zeugnisses etwas tun soll, das wirklich wiederherstellt und vollendet, dann muss Er ein Gegenstück zu Nehemia finden - ein Gefäß mit einer großen inneren Last, mit der Last Gottes Selbst, die es in seinem Herzen trägt, Wir wollen für einige Minuten einen Blick auf Nehemias Last werfen.

Nehemias Last

Dieser Mann besaß eine wahre Einschätzung sowohl davon, wie die Dinge sein sollten, als auch, wie sie wirklich waren. Wir werden es als Instrument im Vorsatz Gottes nirgendwo hinbringen, es sei denn, zwei Dinge würden in unseren Herzen klar - wie die Dinge wirklich stehen, und wie die Dinge sein sollten, wie Gott die Dinge haben wollte, würden sie sich Seinem Sinn, Seinem Herzen gemäß entwickeln, wie die Dinge aussehen würden, wenn sie den Vorsatz Gottes reflektierten und zum Ausdruck brächten. Du und ich werden es in unserer Beziehung zu Gott nie weit bringen, falls wir überhaupt irgend wohin gelangen, es sei denn, wir erkennen etwas vom wahren Zustand der Dinge im Gegensatz zum Sinne Gottes - es sei denn, wir haben wirklich gesehen, was Gott möchte, worauf Gott Sein Herz gesetzt hat, wie die Dinge eigentlich sein würden, wenn sie Seinem Willen entsprächen.

Dann müssen wir natürlich die Kontraste sehen, die Faktoren, die zum Konflikt führen, die Natur der Situation, wie sie eben nicht Gottes Willen entspricht. Nehemia war solch ein Mann. Er beobachtete, er gründete Sein Urteil auf Fakten: er sah einerseits, was Gott haben möchte. andererseits, wie verschieden die Dinge von dem waren, was Gott haben möchte. Natürlich gibt es viele, die im Blick auf das Christentum sehr kritisch sein können, ebenso gegenüber der Gemeinde; Leute, die eine ganze Menge Abschätziges und Verurteilendes über eine Situation zu äußern wissen, die in einer recht überheblichen Weise über die schlimmen Zustände reden, wie sie unter Christen und in der Gemeinde herrschen, und die dann auch ganz billig den Stand der Dinge beklagen.

Nehemia war nicht von dieser Art. Er war nicht bloß negativ, Nehemia war positiv, er war konstruktiv Er war nicht nur einer, der sagen konnte "Seht euch doch einmal die Situation an - wie verschieden ist sie doch von dem, was Gott beabsichtigte und wollte - seht doch dies und das und jenes.» Er konnte nicht nur das tun, sondern war auch imstande, ein positives Heilmittel aufzuzeigen. was man ändern könnte, um den Weg zur Wiederherstellung frei zu bekommen Er war ein Mann mit einer positiven Sicht. Es gibt so viele Leute, die eine negative Linie einschlagen, und wenn ihr sie fragt, was man denn tun müsste, dann haben sie nichts vorzubringen. Alles ist negativ - und zudem eine ganze Menge - aber nichts ist da, womit sie helfen und vorsorgen könnten. Nehemia war nicht ein Mensch dieser Art. Er war völlig vertraut mit der Situation, er wusste wohl, wie beklagenswert sie war. Ihr könnt sehen, dass er verschiedene Male davon spricht, aber er besaß das Heilmittel. Er war ein positiver Mensch und ein Mann der Tat, weil er ein Mann der Sicht war. Er hatte nicht bloß bestimmte Vorstellungen, in einem negativen Sinne. er war ein Mann, der bezüglich dessen zur Tat schritt, was er gesehen hatte.

Und das, liebe Freunde, bedeutet für uns eine Herausforderung. Ich habe keine Zweifel darüber, dass die meisten von uns ihren Finger auf Dinge richten könnten, die nicht nach Gottes Sinn sind unter Seinem Volk, in Seiner Gemeinde, die aufzeigen könnten, wie verschieden die Dinge von dem sind, wie wir meinen, dass sie sein sollten - wie schlecht dies und wie schlecht jenes ist. Oh, das ist leicht und so sehr billig - zu kritisieren und auf Kritik zu hören und ihr zuzustimmen, sie in sich aufzunehmen und in sich Klagen zu nähren, sie am Leben zu erhalten. Aber es ist etwas völlig anderes, wenn einer imstande ist, vorzutreten und zu sagen: «Seht, dies ist nicht gut, es ist nicht so, wie der Herr es haben möchte, und dies sollten wir tun. So und so sieht die Sache aus, die der Herr getan haben möchte, dies ist die Sache, der wir uns widmen sollten, um die Situation zu ändern!» Ich wage zu sagen, dass wir kein Recht haben zu kritisieren, Urteile zu fällen und zu verurteilen, wenn wir kein Heilmittel haben, wenn wir nichts Positives an die Stelle dessen setzen können, was wir sehen. Lasst uns deshalb schweigen, wenn wir nichts Besseres beschaffen können, aber der Herr bewahre uns davor, dass wir schweigen müssen, weil wir negativ sind, möge Er uns aktiv machen, weil wir eine Sicht empfangen haben. Ich frage euch Wie wahr ist dies in eurem eigenen Fall? Welche Sicht hast du? Kannst du sehen, was der Herr immer gemeint hat, was Er immer beabsichtigte? Kannst du sehen, was wirklich in Seinem Herzen ist, was Er haben möchte, und wie Er die Dinge haben möchte? Siehst du genau, wie die Dinge wären, hätte der Herr Seinen Weg und erreichte Sein Ziel? Hast du die Sicht? Bist du imstande zu erkennen, wie verschieden die Dinge von dem sind, was der Herr haben möchte, und bist du dann in deinem Herzen so bewegt darüber, wie es jene Männer und besonders dieser Mann war, so dass du sagst: «Etwas muss in dieser Richtung unternommen werden, wir müssen uns an die Arbeit machen, mit der Hilfe Gottes müssen wir die Situation ändern» - im festen Glauben, dass es Gottes Wille ist? Bist du von dieser Art? Nun, dies ist die Herausforderung dieses Buches.

Die Aspekte von Nehemias Wehen

Wir wollen noch eine weitere Weile damit verbringen, noch etwas mehr in das Innere dieser Wehen Nehemias einzudringen, Welcher Art waren seine Wehen? Ich habe versucht, ihn zu verstehen, ihn zu lesen, in sein Herz einzudringen, hinter seinen Schrei zu kommen, hinter seinen Kummer, hinter seine Last und innere Traurigkeit. Und als ich dies tat, schien es mir, dass folgende Dinge etwas von dem sind, was seinen Wehen zugrunde lag.

Nehemia sah, wie die Dinge sein sollten, und wie sie in Wirklichkeit waren, und dann sah er seine eigene Stellung. Da war er also, weit weg im Palast von Susa, Mundschenk des Königs, Er war ein Vertriebener, im Grunde genommen ein Sklave, einer von denen, die als Diener in den Palast aufgenommen worden waren. Vom Standpunkt des Palastes und vom Standpunkt Babylons aus gesehen möchte dies eine ehrbare Stellung sein, aber von seinem Standpunkt aus war er wie ein Sklave in dieser Welt: er verbrachte seine Zeit in der Weit, sein Geschäft war von dieser Weit, und seine ganze Seele stöhnte. «Hier bin ich im Geschäft dieser Welt, muss jeden Morgen zur Arbeit gehen und kann erst spät in der Nacht damit aufhören, und dies Tag für Tag, Woche für Woche, Monat für Monat, Jahr für Jahr - und meine Seele schreit danach, irgend etwas für den Vorsatz Gottes und die Situation des Volkes Gottes unternehmen zu können». Dieser Schrei gegenüber seiner eigenen Position war ein Aspekt seiner Wehen.

Sogar darin ist Gott souverän. Vielleicht berührt dich das, der du diese Zeilen liest. Du gehst jeden Morgen zur Arbeit und kommst jeden Abend nach Hause, und das weitaus meiste deiner Zeit und Kraft wird in Anspruch genommen, um dieser Welt zu dienen. Du kommst dir vor wie ein Sklave dieser Welt, und du sagst: «Oh, wenn ich doch frei wäre, um etwas für Gott tun zu können.» Mein lieber Freund, solche Wehen sind bedeutungsvoll. Es gab damals in Babylon viele, die sich niederließen und die Situation einfach hinnahmen; die sich ins Geschäft stürzten und Geld verdienten, die dies zu ihrem Leben machten. Sie sahen nicht mehr als dies, oder nichts anderes als das. Nicht so Nehemia. Seine Seele erhob sich gegen seine Stellung in der Welt. «Oh, wenn ich frei sein könnte, um für Gott etwas zu tun!» Solche Wehen bedeuten Gott etwas, Es waren Geburtswehen für etwas, das von Gott kam und für Gott war.

Wenn du nichts von dem kennst - die Plackerei des häuslichen Lebens, vielleicht nennst du es «das tägliche Einerlei, die tägliche Pflicht», morgens zur Arbeit gehen und abends nach Hause kommen - und bei all dem in deiner Seele kein Schrei vorhanden ist für die Interessen Gottes, dann bist du tatsächlich eine Tragödie. Aber es kann sein, dass die ganze Zeit über, in ihr und durch sie, du dich danach sehnst, mehr für den Herrn tun zu können. Lasst es mich sagen dies ist die Art von Wehen, die fruchtbar sein werden. Auf diese oder jene Weise werden sie Frucht bringen Es will heraus - auf diese oder jene Weise wird es herauskommen (bzw. geboren werden). Etwas wird sich daraus ergeben, Ich will damit nicht sagen, dass der Tag kommen wird, wo du von deiner weltlichen Beschäftigung frei werden wirst, um dich dem zu widmen, was wir gewöhnlich einen «vollzeitlichen Dienst» nennen. Ich glaube, es ist ein schwerwiegender Fehler, auf diese Weise vom Dienst Gottes zu sprechen, denn gerade durch deine eigenen Wehen (du möchtest etwas für Gott tun, wirst aber durch deine Umstände daran gehindert) dienst du Gott in potentieller Weise dort, wo du bist. Es können sich gewaltige potentielle Möglichkeiten in diesen Wehen in deinem Herzen verbergen, während du deiner täglichen Arbeit nachgehst, indem du die ganze Zeit über dich mehr um die Interessen des Herrn kümmerst als um diese Weit.

Ich glaube, so muss es mit Nehemia gewesen sein. «Hier bin ich, Mundschenk des Königs.» Ihr könnt den Aufruhr in seinem Herzen beinahe hören. Wie wenig bedeutete ihm dies doch, weil ihm die Interessen des Herrn viel wichtiger waren. Jener Mann, der Herrscher, der König, war ein großer Mann, der größte Mann in der Welt zu jener Zeit. Es war nichts Geringes, dessen Mundschenk und im selben Palast sein zu dürfen wie einst Esther und Mordechai. Ihr kennt dies alles aus dem Buche Esther, und das alles fand hier statt. Und doch, als Nehemia dazu kam, auf die Frage des Königs, warum er so traurig dreinblicke, zu antworten, kleidete er seine Bitte (an Gott) nicht in die Sprache großen Respektes und Ehrerbietung. Lass es doch deinem Knechte heute gelingen und gewähre ihm Barmherzigkeit vor diesem Mann» (Nehemia 1, 11). Ein großer König - «vor diesem Manne»!

Das alles war so gering verglichen mit dem Herrn und Seinen Interessen! Er konnte dies nicht akzeptieren, und deshalb diese Wehen, Ihr seht, die größten Ehren, die die Weit geben kann, die höchsten Positionen, die ihr dort einnehmen könnt, sind wie nichts in den Augen von Männern und Frauen, die gesehen haben, was der Herr sucht, Alle Ehrungen, alle Auszeichnungen, alle Stellungen sind wie nichts, wenn ihr einmal diese hohe Berufung gesehen habt. «Ich betrachte alles als Kot», sagte Paulus (Phil. 3,8), «diese Dinge von Ruhm und Ehre in dieser Welt.» Er hatte den Herrn und die himmlische Berufung gesehen. Nehemias Stellung, ich bin sicher, war ein großer Faktor in seinen Wehen.

Und dann war da auch die lange Verzögerung. «Oh, die Zeit ist so lang! Oh, wenn wir doch nur etwas tun könnten!» Der Herr verlangt so viel Geduld, wir schlagen aus gegen die Verzögerungen des Herrn. Hinausgeschobene Gelegenheiten stellen für uns so tiefe Prüfungen dar! Ist es nicht so? Nichts öffnet sich. es gibt keinen Weg. Aber die Frage, um die es geht, ist: «Liegen wir wirklich in Wehen über dieser Sache?» Ich bin sicher, dass der Herr Aufschübe und Hinauszögerungen benutzt, um uns darin zu prüfen, ob es uns wirklich ernst ist. Es gibt Leute, von denen noch nicht viel verlangt worden ist, und doch geben sie schon auf. Andere ertragen nur eine kleine Enttäuschung, eine kleine Probe ihrer Geduld, und schon sagen sie: «Ach, es ist völlig wertlos», und geben auf. Hier aber steht ein Mann vor uns, der in all den Jahren (seines Dienstes am Hofe des babylonischen Königs) durch tiefe Geduldsprüfungen hindurchgehen musste, er wurde durch lange hinausgeschobene Gelegenheiten, etwas zu tun, auf die Probe gestellt; aber er hielt bis ans Ende durch, und Tatsache ist, dass er schließlich (nach all diesen Prüfungen) höchsten Eifer für die Interessen des Herrn zeigte.

Was für eine Wirkung hat diese lange Verzögerung, diese aufgeschobene Gelegenheit, auf dich? Sitzt dieser Vorsatz Gottes so tief in dir, dass er stärker ist als alle verzögerten Hoffnungen, als alle enttäuschten Erwartungen? Die Seele dieses Mannes litt unter Entbehrungen - es war seine Seele, die litt Ich meine damit, dass er stets ängstlich und eifrig darauf bedacht war, etwas zu tun. wenn er etwas hätte tun können, hätte es ihm Freude, Befriedigung und Vergnügen bereitet. Seine Seele hätte sich dabei frei gefühlt, Dinge zu tun, aber er litt in seiner Seele Entbehrungen und kam mehr und mehr an den Punkt, wo er einsah, dass, wenn überhaupt etwas geschehen konnte, Gott es sein musste, der es tat - «ich werde nie imstande sein, dies zu tun». Das ist ein großer Ort, an den wir gelangen können «Gott muss diese Tür öffnen, Gott muss diese Gelegenheit verschaffen, Gott muss dafür sorgen, dass diese Sache getan wird. Ich kann nichts tun, ich bin hilflos»! Aber ein solcher Seelenhunger, was kostet er doch! Wenn wir nur etwas Kleines tun könnten, wieviel mehr Befriedigung würden wir haben. Aber gerade das (die Unmöglichkeit, etwas tun zu können) ist Teil unserer Zubereitung. Tatsächlich ist es so, dass erst daraus etwas echtes, geistlich Wertvolles, entstehen kann.

Nehemia besaß den Bericht von seinen Brüdern, die zurückgekehrt waren, was die Zustände in Jerusalem betraf. Die Mauern waren niedergerissen, die Tore mit Feuer verbrannt, und die Leute waren in einer beklagenswerten Stellung. Er hatte den Bericht, er wusste genau Bescheid, aber es war ihm absolut unmöglich, irgend etwas zu unternehmen. Nur Gott konnte etwas tun. Glaubt mir, liebe Freunde, dies ist eine Stellung, die Großes verspricht. Dies ist eine Stellung, auf die hin Gott wirkt. Jene, die dazu bestimmt sind, am meisten vom Herrn gebraucht zu werden, und die in der Gemeinschaft mit dem Herrn am fruchtbarsten sein werden, werden nicht nur ein oder zweimal, sondern wieder und wieder zu dem Punkt geführt, wo sie sich bewusst werden, dass sie absolut nichts tun können, nur der Herr kann es tun, Aber ihre Seele liegt über der ganzen Sache in Wehen. Es ist nicht so, dass man die Hände aufwirft, sich zurück lehnt und sagt: «Ich kann nichts tun, deshalb kümmere ich mich auch nicht darum.» Nehemia war nicht so. Er wandelte seine Seelennot in ein Gebet; und wisst ihr, wenn solche Wehen zu einem Gebet werden, und wenn das Gebet zu Wehen wird, dann sind die Dinge sehr real, sie sind dann sehr rein - denn diese Art von Gebet und von Wehen verfährt mit allen Elementen des Ichs (das heißt mit allem, was an uns selbstsüchtig ist).

Wie oft finden sich Elemente von Ehrgeiz, wenn wir etwas unbedingt tun möchten; es geht uns darum, dass wir etwas zu tun bekommen, dass wir ins Blickfeld geraten, dass wir die Befriedigung haben, etwas tun zu können, dass wir eine bestimmte Stellung erreichen, und wenn der Herr uns dann in dieser Beziehung behandelt, und die ganze Agonie zu einem Gebet wird, dann werden gerade in diesem Gebet all die selbstsüchtigen Elemente drastisch dran genommen, und sie gehen verloren. Die Tatsache, dass ein in Wehen liegendes Gebet vorhanden ist, wenn nichts anderes getan werden kann, beweist, dass nichts Selbstsüchtiges mehr damit verbunden ist. Unser Gebet ist ein Geburtskampf. Wir bitten nicht um etwas für uns selbst - es ist eine A-gonie für das, was von Gott stammt.

Bald wird man Nehemia vorwerfen, er verfolge persönliche Interessen. Seine Feinde werden sagen, er wolle sich selbst zum König machen, und er stelle Propheten an, um für ihn Propaganda zu machen. Welch schlauer Angriff des Teufels - er will diesen Mann unter Anklage stellen, um ihn zu erledigen. Würde es den Tatsachen entsprechen, wie schnell wären wir tatsächlich durch einen solchen Angriff des Teufels erledigt! Hat der Teufel je echten Grund zu sagen: «Schließlich ist es doch nur die Nummer 1, die die ganze Sache regiert; es ist dein eigener Ehrgeiz, du selbst!» - wenn er einen Grund hat, dies zu sagen, werden wir sehr wohl flach zu Boden fallen und erledigt sein. Bei Nehemia jedoch konnte es nicht anders sein, als dass solche Anklagen keinen Grund hatten, Er konnte sagen: «Du hast dir das selber ausgedacht» (Nehemia 6,8). «Das stimmt nicht, Gott hat mich in der Tiefe behandelt. Er hat meine Seele von allen eigenen Interessen gereinigt». Der Grund musste dem Feind entzogen werden, so dass nichts Persönliches mehr vorhanden war, von wo aus er wirken konnte.

Nun blickte Nehemia vor dem König traurig drein, und der König merkte es, Aber sein Gesicht sprach nicht von Selbstmitleid oder von persönlicher Frustration. Es redete von Kummer bezüglich der geistlichen Zustände, Der Herr weiß, wie die Dinge gegenwärtig stehen. Der Herr sieht auch, wie verschieden sie sind von dem, was Er ursprünglich beabsichtigte. Er weiß alles. Er muss einige Leute dazu bringen, dass sie sehen, wie Er sieht, dass sie fühlen, wie Er fühlt, und die sich dem hingeben, was Er ihnen zeigt, und zwar um jeden Preis. Dieses Einleitungswort ist eine Herausforderung. Wir können mit dem Werk oder dem Kampf nicht vorankommen, bevor wir nicht so sind, genau so - Leute von der Art eines Nehemia. Der Herr mache aus uns solche Menschen!

In Übereinstimmung mit dem Wunsch von T. Austin-Sparks, dass das, was er frei erhalten hat, weitergegeben und nicht gewinnbringend verkauft werden sollte und dass seine Botschaften Wort für Wort reproduziert werden, bitten wir Sie, diese Botschaften mit anderen zu teilen und frei anzubieten, um seine Wünsche zu respektieren - frei von jeglichen Änderungen, kostenlos (außer notwendigen Vertriebskosten) und mit dieser Erklärung inklusive.