von T. Austin-Sparks
«Die Hoffnung Israels». Diese Wendung, die Paulus hier benutzt, fasste die ganze Substanz und die Folgen seines lebenslangen Dienstes zusammen (Apg. 28,20). Ihr habt vielleicht beobachtet, dass Paulus in seiner Verteidigungsrede vor Agrippa die Geschichte seines Lebens als Jude erzählte, und dass er nun in seiner römischen Gefangenschaft die Juden in Rom traf und ihnen sagte, er sei ein Gefangener um «der Hoffnung Israels» willen.
Was war die Hoffnung Israels? Während viele Dinge in dieser Hoffnung inbegriffen waren, so war doch das Umfassende eine Person, und diese Person wurde (auf hebräisch) Messias genannt. Es brauchte ein ganzes Buch, um allen Grund des Messias und der messianischen Hoffnung im Alten Testament abzudecken. Einiges davon wird auftauchen, indem wir weiterfahren, doch diese Person dominiert das Alte Testament von 1. Mose 3 an. Er ist in persönlichen und symbolischen Vorbildern enthalten; er ist «der Prophet», der kommen sollte; er ist jener Prophet, von dem der Herr zu Moses sagte, er würde «einen wie ihn» erwecken (oder: «so wie er ihn - Moses - erweckt habe»); er war «die Wurzel Davids», der «Sohn David‘s», der «Spross», der «Knecht Jahwes», etc. All die vielen, verschiedenen Titel, Bezeichnungen, Funktionen, Ämter, Absichten und Verheißungen waren in dieser einen Person verkörpert - im kommenden Erlöser, König, in der Errettung, deren Namen «Messias» lautete - und er war «die Hoffnung Israels».
Wie bedeutsam und beeindruckend ist es deshalb, dass dieser Name mit allem, was er enthält, so vollständig ins Neue Testament übernommen wurde. Das wird - für viele Christen - irgendwie durch den Wechsel der Sprach verhüllt oder verdunkelt. So oft benutzen wir gewöhnlich in unserer englischen Sprache zwei Wörter, die dasselbe bedeuten, ohne zu merken, dass sie zu zwei verschiedenen Sprachen gehören. Zum Beispiel hören wir, wie Leute versuchen, einem Gedanken oder einem Gefühl Nachdruck zu verschaffen, indem sie sagen: «Let it be living and vital!» («Es soll lebendig und wesentlich sein!»). «Living» ist englisch. «Vital» ist lateinisch bzw. französisch. In beiden Sprachen hat das Wort dieselbe Bedeutung. So verhält es sich auch mit dem Wort «Messias». Es ist hebräisch (maschiach) und bedeutet «der Gesalbte des Herrn». Das exakte neutestamentliche Äquivalent oder Synonym dafür ist «Christus».
Es ist sehr eindrücklich, dass dieses Wort bzw. dieser Name im Neuen Testament über 520 mal erscheint, und es wäre völlig korrekt und von großer Bedeutung, wenn wir, wie es eine bestimmte Bibelausgabe gemacht hat, jedesmal, wenn wir zum Wort «Christus» kommen, einfach «Messias» lesen würden. Ein zusätzlicher und ungeheuer bedeutsamer Faktor ist der, dass dieser hebräisch-griechische Name weitgehend in Schriften an die Heidenchristen verwendet wird!
Was kommt hier zum Vorschein? Der Messias - «die Hoffnung Israels» - ist der Christus des Christentums, und er ist Jesus von Nazareth. Was für ein Inhalt! Alles, was beim Kommenden mit der Hoffnung Israels zusammenhing und erwartet wurde, ist in Jesus Christus erfüllt, doch mit diesem Unterschied: Israels «Hoffnung» ist irdisch, zeitlich, materiell. Was die Gemeinde davon erlangt hat, ist himmlisch, geistlich, ewig. Israels Erwartung war jeder zeitliche und irdische Segen. Das Erbe der Gemeinde jedoch ist «jeder geistliche Segen in himmlischen Regionen».
Wir müssen später darauf zurückkommen. Aber noch ein weiterer Gesichtspunkt muss beachtet werden. Israel lebte auf den Tag der Erscheinung des Messias hin, da alle ihre irdischen Erwartungen in Erfüllung gehen würden. Für die Gemeinde ist er gekommen und hat alles erfüllt, was für diese Verwirklichung notwendig ist, doch sie lebt auf den Tag seiner Erscheinung hin, da das, was er vollbrachte, zur ganzen Ordnung von Himmel und Erde werden wird. So schrieb Petrus, der, wie wir gesagt haben, unter großen Kämpfen die große Verschiebung durchgemacht hatte, an bekehrte Juden: «Gelobt sei der Gott und Vater unseres Herrn Jesus Christus, der uns aufgrund seiner großen Barmherzigkeit wiedergeboren hat zu einer lebendigen Hoffnung durch die Auferstehung Jesu Christi aus den Toten, zu einem unvergänglichen und unbefleckten und unverwelklichen Erbe, das im Himmel aufbewahrt wird...» (1. Petr. 1,3.4).
Jedes Wort dieser Aussage sollte als Kontrast zu Israels Hoffnung und Erbe gewichtet werden.
«Lebendige Hoffnung». «Auferstehung (Das alte Israel befindet sich jetzt nicht in der Auferstehung). «Erbe». «Unvergänglich» (bzw. unverderblich). «Unbefleckt». «Unverwelklich». «Im Himmel».
Das ist in der Tat eine große Verschiebung vom einen Israel zu einem andern! Ein Erbe befleckt, verderbt und verwelkt. (Siehe 1. Thess. 2,14b-16) Das andere Israel - die Gemeinde - (Gal. 6,16 und Hebräer) mit dem unvergänglichen (bzw. unverderblichen), unbefleckten, unverwelklichen, himmlischen Erbe.
Was nun folgen müsste, wäre eine lange Betrachtung dessen, was in Israel‘s «Hoffnung» lag, die auf geistliche Weise gegenwärtig auf die Gemeinde übertragen wurde, doch ist dies nicht eine Reihe von Büchern, wir zeigen bloß wichtige, grundlegende Tatsachen auf. Noch viel mehr wird sicher zum Vorschein kommen, während wir weiterfahren. Doch lasst uns einfach die Worte eines bestimmten Verfassers in diesem Zusammenhang zitieren:
«Jesus von Nazareth brauchte keine äußere Inthronisierung noch einen lokalen Regierungssitz auf Erden, um ihn als Repräsentant von David‘s Königreich zu konstituieren, genauso wenig wie er eine physische Salbung benötigte, um ihn für immer zum Priester zu weihen, oder einen materiellen Altar zur Ausübung seines wohlannehmlichen Dienstes. Da er der Sohn des lebendigen Gottes, und, als Sohn, auch der Erbe aller Dinge war, besaß er von allem Anfang an, die Kräfte des Königreiches; und er bewies, dass er sie besaß, mit jedem autoritativen Wort, das er äußerte, mit jedem Werk der Befreiung, das er vollbrachte, mit jedem Urteil, das er fällte, mit jeder Tat der Barmherzigkeit und Vergebung, die er vermittelte, und auch mit der unwiderstehlichen Kontrolle, die er über die Elemente der Natur und den Bereich des Todes ausübte. Dies waren die Zeichen seines Königtums, die er auf dieser Erde mit sich trug; und so wunderbar sie auch waren - so sehr sie die königliche Hoheit der ganzen Herrlichkeit von David und Salomo auch ausstachen - sie waren bloß die ersten Vorspiele der unvergleichlichen Majestät, die David von ferne erspähte, als er ihn als seinen Herrn sah, wie er königlicher Erscheinung zur Rechten seines Vaters saß, und zu der er auch formell einging, als er sich mit den Worten erhob: «Mir ist gegeben alle Gewalt im Himmel und auf Erden».
Am Ende der stürmischen und verworrenen vierhundert Jahre zwischen dem Alten und dem Neuen Testament existierte ein kleiner, jüdischer Überrest von treuen und «hingegebenen» Männern und Frauen in Jerusalem, die noch immer das Kommen des Messias ersehnten und danach Ausschau hielten. Simeon stellt einen von ihnen dar, und von ihm wurde gesagt, «der Heilige Geist sei auf ihm». Er «wartete auf den Trost Israels», und «es war ihm vom Heiligen Geist geoffenbart worden, dass er den Tod nicht sehen werde, bevor er nicht den Christus des Herrn (Messias) zu Gesicht bekommen hätte». «Er kam durch den Geist in den Tempel; und als die Eltern das Kind Jesus darbrachten ... nahm er es in seine Arme, pries Gott, und sprach ... Meine Augen haben dein Heil gesehen .... die Herrlichkeit deines Volkes Israel». Und er sprach: «Dieses Kind wird gesetzt zum Fall und zum Aufstehen vieler in Israel; und zu einem Zeichen, dem widersprochen wird» (Lk. 2,25-35). Dieser ganze Abschnitt muss sorgfältig im Licht dieses ganzen Themas gesehen werden, dass Israels Messias durch das Kreuz der Christus der Gemeinde ist.
Doch eine Frage muss dringend beantwortet werden. Wer war dieser Messias-Christus, und wann wurde er gesalbt?
Wir wissen, dass «Gott Jesus von Nazareth gesalbt hat, der umherging und Gutes tat...», und wir wissen auch, dass diese Salbung unmittelbar nach seiner Taufe am Jordan stattfand. Doch bevor er Jesus von Nazareth war, war er der Sohn Gottes, und vor ewigen Zeiten wurde er zum «Erben aller Dinge» erklärt (Hebr. 1,2). Ferner wissen wir, dass von ihm, durch ihn und zu ihm «alle Dinge geschaffen wurden» (Kol. 1,16).
Es gab ein großes und hohes Engelwesen, das «der gesalbte Cherub, der bedeckt» genannt wurde (Hesek. 28,14).
Zwei Dinge gehen aus all dem hervor. Das eine ist, dass der ewige Sohn über allen anderen Wesen stand, und «so viel erhabener als die Engel» (Hebr. 1,4), selbst als Luzifer. Und das andere, dass die Salbung am Jordan im Zusammenhang stand mit seinem Werk der Erlösung durch das Kreuz (der Geist folgt stets dem Altar, dem Blut, dem Kreuz), und dass er durch die Salbung geistlich und offiziell zum Propheten, Priester und König eingesetzt wurde. Das ist im Alten Testament vorgebildet und typologisch dargestellt, und im Neuen wird es als Tatsache gelehrt. Das ist unser Christus, der Messias des neuen Israel.
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