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Prophetischer Dienst

von T. Austin-Sparks

Kapitel 2 - Wie Man Zum Propheten Wird

Prophetischer Dienst ist etwas, das nicht mit der Zeit aufgetreten ist, sondern ewig ist. Er stammt aus den ewigen Ratschlüssen Gottes.

Vielleicht fragt ihr euch, was das heißt. Nun, wir erinnern uns, dass etwas ohne irgend eine Erklärung oder Definition gleich am Anfang auftritt und den Platz der Regierung einnimmt in der Ökonomie Gottes, und es schließt diese Funktion in sich. Als Adam sündigte und aus dem Garten vertrieben wurde, sagt das Wort schlicht: «(Gott) ließ östlich vom Garten Eden die Cherubim lagern und die Flamme des blitzenden Schwertes, um den Weg zum Baum des Lebens zu bewachen» (1. Mose, 3,24).

Wer oder was sind die Cherubim? Woher kommen sie? Wir haben vorher nichts von ihnen gehört; es wird uns keine Erklärung für sie geliefert. Es wird ganz einfach festgestellt (dass es sie gibt). Gott stellte sie dorthin, um den Weg zum Baum des Lebens zu bewachen. Sie wurden zu Wächtern des Lebens; sie sollen die Dinge gemäß dem Gedanken Gottes bewahren. Denn die Gedanken des menschlichen Herzens waren von den Gedanken Gottes abgewichen und wurden böse; alles wurde verdorben; und nun wurden die Wächter des göttlichen Gedankens in Bezug auf das Größte für den Menschen - göttliches Leben, unerschaffenes Leben - die Wächter dieses Lebens, die Cherubim, dort postiert.

Doch später wird uns zu verstehen gegeben, was die Cherubim sind: Diese symbolische, zusammengesetzte Repräsentation hat einen vierfachen Aspekt: Den Löwen, den Ochsen, den Menschen und den Adler; und es wird uns sehr klar verständlich gemacht, dass der vorherrschende Gesichtspunkt der des Menschen ist. Im Grunde genommen ist es EIN MENSCH, mit drei weiteren Aspekten, nämlich dem des Löwen, des Ochsen und des Adlers. Der Löwe ist ein Symbol für das Königtum oder für die Herrschaft; der Ochse für den Dienst und das Opfer; der Adler für die himmlische Herrlichkeit und das Geheimnis. Aber der Mensch, der vorherrschende Aspekt der Cherubim - was ist denn er?

Wir wissen, dass durch die ganze Schrift hindurch der Mensch in der göttlichen Anordnung der Dinge den Platz des Propheten, des Repräsentanten Gottes, einnimmt. Die Repräsentation des Gedankens Gottes ist EIN MENSCH. Das war die Absicht bei der Erschaffung des Menschen im Bild und Gleichnis Gottes - die persönliche Verkörperung und der Ausdruck von sämtlichen Gedanken Gottes zu sein. Dazu wurde der Mensch geschaffen. Das ist es auch, was wir in DEM MENSCHEN finden, der «Gott geoffenbart im Fleisch» war. Er war der vollkommene Ausdruck aller Gedanken Gottes.

Woher aber kam dieser Symbolismus der Cherubim? Er wurde einfach eingeführt. Er stammt aus der Ewigkeit. Es ist ein göttlicher, ewiger Gedanke, und er übernimmt die Verantwortung für die Dinge, um sie für Gott zu bewahren. So steht also der Mensch - und wir kennen diesen Satz «Sohn des Menschen» - besonders zum prophetischen Dienst in Beziehung, und die prophetische Funktion ist etwas Ewiges, das irgend einmal eingeführt wird. Er ist, seiner eigentlichen Natur nach, die Repräsentation göttlicher Gedanken, und er soll die Gedanken Gottes in Reinheit und in Fülle bewahren. Das ist die Idee, die dem Menschen, dem Propheten, zugrunde liegt, und das ist die prophetische Funktion und Natur (des Menschen).

Die Identität des Propheten mit seiner Botschaft

Aber was bringt das mit sich? Hier kommen wir zum wichtigsten Punkt von allem. Es ist die absolute Identität des Gefäßes mit dessen Dienst. Der prophetische Dienst ist nicht etwas, das ihr einfach ergreifen könnt. Es ist etwas, das ihr SEIN müsst. Keine Akademie kann euch zu einem Propheten machen. Samuel begründete die Prophetenschulen. Sie dienten zwei Zielen - 1. der Verbreitung religiöser Erkenntnis, und 2. der Aufzeichnung der Chroniken der religiösen Geschichte. In den Tagen von Samuel gab es keine offene Vision mehr; das Volk hatte das Wort Gottes verloren. Man musste ihnen das Wort Gottes aufs Neue lehren, und die Chroniken der Wege Gottes mussten hauptsächlich zu diesem Zweck aufgeschrieben werden. Doch es bestand ein sehr großer Unterschied zwischen diesen akademischen Propheten und den lebendigen, gesalbten Propheten. Die akademischen Propheten wurden Gliedern eines bestimmten Bekenntnisses, und sie degenerierten sehr schnell zu etwas Unwürdigem. Alle falschen Propheten kamen aus den Prophetenschulen, und sie wurden öffentlich auf dieser Basis akzeptiert. Sie hatten durchlaufen und wurden deshalb akzeptiert. Doch waren sie falsche Propheten. Der Besuch eines religiösen Colleges macht an sich noch keinen Propheten Gottes aus euch.

Mein Punkt ist der - die Identität des Gefäßes mit seinem Dienst ist des eigentliche Herz des göttlichen Gedankens. Ein Mensch ist berufen, die Gedanken Gottes zu repräsentieren, sie in dem zu repräsentieren, was ER IST, nicht als etwas, was er als eine Form oder Linie des Dienstes aufgreift, also nicht in dem, was er tut. Das Gefäß selbst ist der Dienst, und ihr könnt diese beiden nicht von einander trennen.

Die Notwendigkeit einer Selbst-Entleerung

Das erklärt alles im Leben der großen Propheten. Es erklärt das Leben Moses‘, des Propheten, den Gott, der Herr, aus seinen Brüdern erweckt hatte (5. Mose 18,15. 18). Moses versuchte, sein Lebenswerk in Angriff zu nehmen. Er war ein Mann ungeheurer Fähigkeiten, «in aller Weisheit der Ägypter unterrichtet» (Apg. 7,22), mit großen natürlichen Qualifikationen und Begabungen, und dann gewann er irgend eine Vorstellung eines Lebenswerkes für Gott. Es stimmte völlig; es war eine wahre Vorstellung, eine richtige Idee; aber er versuchte, dieses Werk auf der Basis dessen in Angriff zu nehmen, was er von Natur aus war, mit seiner eigenen Fähigkeit, seinen Qualifikationen und seinem Eifer, und auf dieser Basis ließ Gott es zu, dass aus dieser ganzen Sache ein Desaster wurde.

Die Propheten sind nicht von dieser Art; der prophetische Dienst kann nicht auf diese Weise ausgeübt werden. Moses musste in Wüste gehen und sich während vierzig Jahren vollständig entleeren, bis nichts mehr von all dem als Basis übrig blieb, auf das er hätte vertrauen können, um das Werk Gottes zu tun oder irgend einen göttlichen Auftrag auszuführen. Von Natur aus war er ein Mann «mächtig in seinen Worten und Werken»; und doch sagt er jetzt: «Ich kann nicht reden... ich habe einen schwerfälligen Mund...» (2. Mose 4,10). Ein ungeheures Unterbinden aller natürlichen Fähigkeiten und Ressourcen hatte stattgefunden, und ich glaube nicht, dass Moses in seiner Antwort sich im Widerstreit mit Gott befand. Im Grunde sagte er nicht: «Du hast es mir damals nicht zu tun erlaubt, also werde ich es jetzt auch nicht tun». Ich denke, er war ein Mensch, der sich unter der göttlichen Disziplin befand, und dennoch auf ihrem Höhepunkt. Ein Mensch, der unter den Dingen steht und der kleinbürgerlich geworden ist, reagiert nicht auf kleine Gelegenheiten, Menschen zu helfen. Wir erhalten einen kurzen Blick auf Moses am Anfang seiner Zeit in der Wüste (2. Mose 2,16.17), was andeutet, dass er nicht von dieser Art war. Als es am Brunnen Schwierigkeiten gab wegen des Tränkens der Herden, hätte er sich - wäre er sich in einer schlechten, mürrischen, unangenehmen Stimmung gewesen, weil der Herr ihm in Ägypten offenbar nicht beigestanden war, vielleicht irgendwo abseits gehalten, zugeschaut, und nichts unternommen, um zu helfen. Doch er machte sich sogleich daran, zu helfen, in einem guten Geist, und er tat, was er konnte. Er stand über der Prüfung. Kleine Dinge zeigen auf, wo ein Mann steht.

Wir gehen durch Zeiten der Trübsal und Prüfung unter der Hand Gottes, und es so leicht, in die Haltung zu verfallen, die im Grund genommen sagt: «Der Herr möchte uns nicht, er braucht uns nicht». Wir lassen alles fahren, wir kümmern uns um nichts mehr; wir sind unseren Schwierigkeiten zum Opfer gefallen und daher unbrauchbar geworden. Ich glaube nicht, dass sich der Herr je einer Person zuwendet und sie ergreift, die sich in einem solchen Zustand befindet. Elijah floh mutlos in die Wüste und zu einer Höhle in den Bergen; doch musste er noch anderswo hin, bevor der Herr irgend etwas mit ihm anfangen konnte. «Was tust du hier, Elijah?» (1. Könige 19,9). Der Herr kommt nie zu einem Menschen und beauftragt ihn mit irgend etwas, wenn er verzweifelt ist. «Gott wird dir alles vergeben, außer deine Verzweiflung» (F.W.H. Myers, «St. Paul») - weil Verzweiflung verlorener Glaube an Gott ist, und Gott kann nie irgend etwas mit jemandem anfangen, der den Glauben verloren hat.

Moses wurde bis zum letzten Tropfen entleert, und dennoch war er nicht zornig und im Widerstreit mit Gott. Was tat der Herr? Er formte einen Propheten. Vorher hätte der Mann irgend ein Amt ergriffen, er hätte sich die prophetische Funktion dienstbar gemacht, er hätte sie einfach benutzt. Da gab es keine innere, lebendige Beziehung zwischen dem Mann und dem Werk, das er zu tun hatte; es waren zwei verschiedene Dinge; das Werk war für den Mann etwas Objektives. Am Ende von vierzig Jahren in der Wüste befindet er sich in einem Zustand, bei dem die Sache subjektiven Charakter annahm; etwas war geschehen. Ein Zustand ist erreicht worden, der den Mann instand setzte, ein lebendiger Ausdruck des göttlichen Gedankens zu sein. Er wurde seiner eigenen Gedanken entleert, um Raum zu gewinnen für Gottes Gedanken; er wurde seiner eigenen Kraft entleert, so dass alle Energie von Gott kam.

Ist das nicht vielleicht die Bedeutung des Feuers und des Busches, der nicht verzehrt wurde? Es ist ein Gleichnis, vielleicht ein größeres Gleichnis, doch, denke ich, in der unmittelbaren Anwendung sagte es etwas zu Moses. «Moses, du bist eine sehr zerbrechliche Kreatur, ein gewöhnlicher Busch in der Wüste, ein Stück gewöhnlicher Menschheit, ohne irgend welche Ressourcen in dir selbst; doch da gibt es eine Ressource, die dich weiter und weiter tragen kann, und du kannst bewahrt bleiben, ohne verzehrt zu werden durch eine Energie, die nicht von dir stammt - durch den Geist Gottes, die Energie Gottes». Das war die große Lektion, die dieser Prophet zu lernen hatte. «Ich kann nicht!» «Gut», sagte der Herr, «aber ICH BIN».

Ein großes Getue wird von der natürlichen Seite vieler Diener des Herrn gemacht, und gewöhnlich mit tragischen Folgen. Viel wurde aus Paulus gemacht. «Was für ein großer Mann war Paulus von Natur aus, welchen Intellekt hatte er doch, welche Bildung, welch ungeheure Fähigkeiten!» Das mag alles stimmen, aber fragt Paulus, welchen Wert das alles für ihn hatte, wenn er sich einer geistlichen Situation gegenübersah. Da ruft er aus: «Wer ist zu diesen Dingen fähig? ... Unsere Fähigkeit stammt aus Gott» (2. Kor. 2,16; 3,5). Paulus wurde durch Erfahrungen geführt, wo er, wie Moses, am Leben verzweifelte. Er sagte: «Wir trugen das Todesurteil bereits in uns, damit wir nicht auf uns selber vertrauten, sondern auf Gott, der die Toten auferweckt» (2. Kor. 1,9).

Die Botschaft - durch konkrete Erfahrung hineingewirkt

Ihr seht, das Prinzip funktioniert jederzeit, dass Gott den Dienst und den Diener identisch werden lässt. Ihr könnt das bei allen Propheten sehen. Der Herr machte vor nichts Halt, er gab sich unendliche Mühe. Er wirkte sogar durch das häusliche Leben, durch die engsten Beziehungen im Leben. Denkt doch nur an die Tragödie von Hoseas häuslichem Leben. Denkt an Hesekiel, dessen Frau der Herr auf einen Schlag durch Tod hinweg nahm. Der Herr sagte: «Steh am Morgen auf, salbe dein Gesicht, lasst dir nicht die geringste Andeutung von Trauer oder Tragödie anmerken; geh wie immer hinaus, als ob nichts geschehen wäre; zeig dich dem Volk, tritt mit einem strahlenden Gesicht auf, provoziere sie, dass sie fragen, was du mit diesem empörenden Verhalten meinst». Der Herr brachte dieses herzzerbrechende Leid über ihn und verlangte erst noch, dass er sich so verhielt. Warum? Hesekiel war ein Prophet; er musste seine Botschaft verkörpern, und die Botschaft lautete: «Israel, die Frau Gottes, ist für Gott verloren gegangen, und Israel nimmt keine Notiz davon; sie macht weiter wie immer, als ob nichts geschehen wäre». Der Prophet musste die Sache durch seine eigene Erfahrung auf den Punkt bringen. Gott wirkt die Sache unmittelbare ins Innere hinein. Er tut dies (oft) auf tiefe und schreckliche Weise im Leben seiner Knechte, um Dienst hervorzubringen.

Gott erlaubt uns nicht, Dinge und Themen aufzugreifen. Wenn wir unter dem Heiligen Geist sind, macht er aus uns Propheten; das heißt, er macht aus der Prophetie etwas, das in uns drin passiert ist, so dass das, was wir sagen, nur etwas zur Sprache bringt, was vor sich gegangen ist, was in uns geschehen ist. Gott hat es während Jahren auf seltsame, tiefe und schreckliche Weise in ein einigen Leben getan, indem er vor nichts Halt machte und alles berührte; und das Gefäß, auf das so eingewirkt wurde, ist selbst die Botschaft. Die Leute kommen nicht, um zu HÖREN, was ihr LEHRT. Sie sind gekommen, um zu SEHEN, was ihr SEID, um das zu sehen, was von Gott gewirkt wurde. Welchen Preis hat das prophetische Instrument doch zu zahlen!

So ging Moses in die Wüste zu diesem furchtbaren Ablegen seines natürlichen Lebens, seiner natürlichen Mentalität; um an den Nullpunkt gebracht zu werden; um die Sache in ihn hinein wirken zu lassen. Und wurde Gott gerechtfertigt? - denn schließlich war es eine Frage der Ressourcen für die Zukunft. Oh, die Spannung, die auf dieses Leben drückte! Manchmal wollte Moses beinahe darunter zerbrechen; zuweilen barst er unter der Anstrengung. «Ich kann dieses Volk nicht allein tragen, denn es ist zu schwer für mich» (4. Mose 11,14). Welches war seine Ressource? Oh, wäre es die alte Ressource von Ägypten gewesen, hätte er es nicht ein Jahr ausgehalten. Er konnte die Provokation in Ägypten nicht ertragen, er musste aufstehen und kämpfen. Er brach moralisch und geistlich unter der kleinen Anstrengung vor vierzig Jahren zusammen. Was sollte er mit diesen Rebellen tun? Wie lange sollte er sie noch tolerieren? Eine schreckliche Anspannung legte sich auf ihn, und nur etwas tief in sein Inneres Hineingewirktes, etwas, das innerlich geschehen ist, würde ausreichen, um ihn durchzutragen, wenn es darum ging, für Gottes vollen Gedanken sich gegen den Strom zu stellen.

Auch bei uns mag die Anspannung entsetzlich sein; oft mag die sehr starke Versuchung über uns kommen - «Gebt doch ein bisschen nach, macht ein paar Kompromisse; seid nicht so absolut; ihr werdet mehr offene Türen vorfinden, wenn ihr ein bisschen weniger eng seid; ihr könnt ganz viel mehr haben, wenn ihr es etwas lockerer nehmt!» Was wird euch in jener Stunde der Versuchung retten? Das Einzige ist dies, dass Gott diese Angelegenheit in euch gewirkt hat. Es ist Teil eures eigenen Wesens - etwas, das ihr nicht aufgeben könnt; das seid ihr, es ist euer eigentliches Leben. Das ist das Einzige. Gott wusste, was er mit Moses tat. Die Sache musste so eins mit dem Mann werden, dass sie ununterscheidbar wurden. Der Mann WAR der prophetische Dienst.

Er wurde von seinen Brüdern verworfen; sie wollten ihn nicht haben. «Wer hat dich zum Fürsten und Richter über uns gesetzt?» (2. Mose 2,14). Das ist die menschliche Seite davon. Doch da gab es auch die göttliche Seite. Es war von Gott, dass er für vierzig Jahre in die Wüste ging. Es musste so sein, von Gottes Seite aus gesehen. Dabei sah es aus, als wäre es das Tun des Menschen. Doch das stimmte nicht. Diese beiden Dinge gingen zusammen. Die Verwerfung von seinen Brüdern stimmte völlig mit dem souveränen Vorsatz Gottes überein. Es war der einzige Weg, auf dem Gott die Möglichkeit bekam, die er benötigte, um diesen Menschen zu rekonstituieren. Die eigentliche Vorbereitung dieses Propheten fand während der Zeit statt, da seine Brüder in zurückwiesen. Oh, die Souveränität Gottes, die wunderbare Souveränität Gottes! Eine dunkle Zeit, eine tiefe Zeit; eine zerbrechende, zerschlagende, zermalmende Zeit; völlig entleert. Es sah aus, als sei alles verloren, als sei nichts mehr übrig geblieben. Und doch ist das alles die Art, wie Gott einen prophetischen Dienst hervorbringt.

Der Botschafter - von Gott bestätigt

Ich gehe davon aus, dass Moses am Anfang sehr gesetzlich gewesen sein musste, als er das Gesetz niederschrieb - «Du sollst dies und das tun» - und so weiter; ein Autokrat oder Despot. Wenn wir ihn nach all jenen Jahren wiederfinden, als er von der Töpferscheibe, aus der Hand des Töpfers, loskam, hieß es jedoch von ihm: «Mose war ein sehr sanftmütiger Mensch, sanftmütiger als alle Menschen auf Erden» (4. Mose 12,3), und zu diesem Zeitpunkt konnte Gott sich zu ihm stellen. Er konnte ihm an jenem Tag, als er sich in einem Geist des Stolzes, der Arroganz, der Selbstsicherheit nicht beistehen. Doch als Moses als der sanftmütigste aller Menschen, als der zerbrochene, demütige, selbstlose Mensch, der er geworden war, von andern bezüglich seines Amtes herausgefordert wurde - da stand Moses nicht auf für seine Position, für seine Rechte; er übergab die Angelegenheit einfach dem Herrn. Seine Haltung war: «Wir überlassen es dem Herrn, zu entscheiden. Ich habe keine persönliche Position zu verteidigen; wenn der Herr mich zu seinem Propheten gemacht hat, soll er dies zeigen. Ich bin bereit, das Amt abzugeben, wenn es nicht vom Herrn ist.» Was für ein ganz anderer Geist! Und der Herr stellte sich bei jenen Vorfällen wunderbar und mächtig zu ihm, mit schrecklichen Auswirkungen für diejenigen, die sich gegen ihn stellten (4. Mose 12,2ff; 16,3ff.).


Der prophetische Dienst - ein Leben, keine Lehre

Nun, was also ist ein Prophet? Worin besteht die prophetische Funktion? In folgendem: Gott bemächtigt sich eines Gefäßes (es kann individuell oder kollektiv sein: die Funktion des prophetischen Dienstes kann sich durch ein Volk bewegen, wie dies bei Israel der Fall war), und dann nimmt er dieses Gefäß durch eine tiefe Geschichte, bricht und erledigt es, indem er seine ganze Mentalität desillusioniert bzw. revolutioniert, so dass die Dinge, an denen er so grimmig, so überzeugt festgehalten hatte, völlig anders einschätzte. Es hat sich eine wunderbare Fügsamkeit, Anpassungsfähigkeit und Belehrbarkeit entwickelt. Alles, was in Bezug auf das Werk Gottes bloß objektiv war, in Bezug auf die göttliche Wahrheit, auf die Orthodoxie oder den Fundamentalismus, auf das, was so stark, auf objektive und gesetzliche Weise festgehalten wurde, auf das, was methodisch richtig oder falsch war - all das wurde behandelt, zerbrochen. Jetzt existiert ein vollständig neues Konzept, eine neue Sicht von den Dingen; jetzt ist es nicht mehr ein formelles System, etwas außerhalb von euch, das ihr bloß aufgreift, sondern etwas, das auf inwendige Weise in das Gefäß hinein gewirkt wurde. Das, was das Gefäß ist, darin besteht sein Dienst. Nicht in dem, was es als Lehre akzeptiert hat und jetzt lehrt.

Oh, was bedeutet es doch, von diesem ganzen, schrecklichen Bereich der Dinge befreit zu werden! Es ist ein erbärmlicher Bereich, das (bloße) Adoptieren von Lehren, das Aufgreifen von Interpretationen, bekannt zu sein, weil ihr diese oder jene Linie der Dinge vertretet. Oh, möge Gott uns befreien! Oh, dass wir doch an den Punkt gebracht werden möchten, wo es für uns zu einer Angelegenheit des LEBENS wird - dessen, was Gott tatsächlich in uns getan hat, was er aus uns gemacht hat! Zuerst hat er uns pulverisiert, und dann hat er uns aufgrund eines neuen, geistlichen Prinzips wieder aufgebaut, und dieses drückt sich aus im Dienst: Was jetzt gesagt wird, stammt aus dem, was dahinter vor sich gegangen ist, vielleicht seit Jahren, und sogar bis zum gegenwärtigen Zeitpunkt.

Könnt ihr das Gesetz der prophetischen Funktion erkenne? Es ist dies, dass Gott gesalbte Gefäße durch Erfahrung mit der Wahrheit schritthalten lässt. Jedes bisschen Wahrheit, das sie in Worten herausbringen, ist etwas, das eine Geschichte hinter sich hat. Sie tauchten in die Tiefe hinab und wurden durch diese Wahrheit gerettet. Es war ihr Leben, und deshalb ist es ein Teil ihrer selbst. Das ist die Natur des prophetischen Dienstes.


Ein Prophet - tolerant, aber kompromisslos

Kehren wir zu dem zurück, was ich über die Veränderung in Moses gesagt habe: Ihr könnt etwas davon im Falle von Samuel sich reflektieren sehen. Ich denke, Samuel ist einer der wunderschönsten und liebenswertesten Charaktere im Alten Testament, und er wird Prophet genannt. Habt ihr beachtet, dass er, obwohl sein eigenes Herz aufs äußerste an Gottes höchsten und vollsten Gedanken hingegeben ist, und obwohl er innerlich keinerlei Kompromisse kennt, während jener Monate Saul gegenüber eine wunderbare Milde zeigt? (Es scheint, dass es nicht viel mehr als ein Jahre gedauert hat, das erste Jahr von Sauls Herrschaft, während welchem Saul den Anschein erweckt, dass er wirklich etwas Ähnliches wie das Gute zu zeigen versuchte). Und dennoch dürft ihr nicht vergessen, dass Saul die Leugnung des Höchsten von allem repräsentiert - die direkte und unmittelbare Herrschaft Gottes. Eine solche Herrschaft wurde von Israel zugunsten eines Königs verworfen - «Mache uns einen König, der uns richtet wie alle andern Nationen», sagten sie. Doch Gott sagte zu Samuel: «Sie haben nicht dich, sondern mich verworfen» (1. Samuel 8,5-7).

Das Königtum war ebenso ein göttliches Prinzip wie die Prophetie. Der Löwe ist da mit dem Menschen zusammen. Der Monarch, der Gottes Gedanke der Herrschaft repräsentiert, ist da. Doch bei Saul ist das alles auf einem tieferen Niveau. Sein Auftreten repräsentierte das Herabsinken dieses göttlichen Gedankens auf die Ebene der Welt: «wie alle andern Nationen» - ein göttlicher Gedanke, dessen sich der fleischliche Mensch bemächtigt und es auf eine weltliche Ebene herabgesenkt hat; und Samuel wusste das. In seinem Herzen konnte er das nicht akzeptieren, und er beklagte sich bei Gott darüber; er war gegen diese Sache, denn er sah, was das bedeutete. Doch wie milde war er Saul gegenüber, solange er nur konnte!

Warum sage ich das? Weil heute ein ähnlicher Zustand existiert. Göttliche Dinge wurden von Menschen auf fleischliche Weise aufgegriffen und auf eine irdische Ebene herunter gezogen; die direkte Herrschaft des Heiligen Geistes wurde durch Komitees, Vorstände usw. ersetzt. Menschen haben ihre Herrschaft in göttlichen Dingen errichtet und betreiben die Dinge für Gott. Der Weg des Neuen Testamentes, dass man sich durch Gebet und Fasten des Sinnes des Herrn gewiss wird, ist kaum mehr bekannt. Nun, diejenigen, die geistlich sind, die wissen, die sehen, die verstehen, können das nicht akzeptieren. Doch sie sind sehr milde. Ein wahrer Prophet, wie Samuel einer war, wird so lange wie möglich milde bleiben, bis die falsche Sache die ausgesprochene und konkrete Form des Ungehorsams dem empfangenen Licht gegenüber annimmt. Der Herr kam durch Samuel zu Saul und gab ihm klar zu verstehen, was er zu tun hatte. Es wurde ihm mit unmissverständlicher Klarheit mitgeteilt, was Gott von ihm verlangte, und er war ungehorsam. Da sagte Samuel: «Keine Milde mehr gegenüber dieser Sache!» Er war unerbittlich. «Weil du das Wort des Herrn verworfen hast, hat er dich verworfen, dass du nicht mehr König sein sollst» (1. Samuel 15,23). Samuel ging, so weit er konnte, während der Mann tat, was immer er konnte. Das ist Milde.

Natürlich sind Sinnbilder immer schwach und unvollkommen, doch könnt ihr darin die Wahrheit sehen. Der Prophet Samuel erwies ein schönes Stück Langmut den Dingen gegenüber, die falsch waren, auch wenn er sie im Herzen nicht akzeptieren konnte. Er hoffte, das Licht werde aufbrechen und Gehorsam bewirken, so dass die Situation gerettet werden konnte. Wir müssen sehr milde sein gegenüber allem, dem wir nicht zustimmen können.

Der Punkt ist der - Moses hat genau das zu lernen; er musste so werden. Wir sind besser geeignet, dem Vorsatz des Herrn zu dienen, wir sind wahrere Propheten, wenn wir dinge ertragen können, mit denen wir nicht einverstanden sind, als wenn wir in unserem Eifer Bilderstürmer sind und nur danach streben, das beleidigende Ärgernis zu vernichten. Da sagt der Herr: «Das bringt es nicht».

Bei allem, was wir gesagt haben, haben wir nur eines betont - dass der prophetische Dienst eine Funktion ist. Seine Funktion besteht darin, alles in Übereinstimmung mit Gottes vollem Gedanken zu bewahren - doch nicht an einer bestimmten «Linie» der Dinge auf eine objektive und gesetzliche Weise festzuhalten. Ihr greift nicht irgend etwas auf. Ihr könnt diese Funktion nur dann wahrhaftig ausüben, wenn Gott die Sache, für die ihr einsteht, in euch hinein gewirkt hat, und nur insofern, als sie in euch durch die Erfahrung, durch die Behandlung Gottes, geoffenbart wurde - Gott hat euch durch alles hindurch geführt, und auf diese Weise kennt ihr es. Es ist nicht, dass ihr etwas vollbracht habt, sondern ihr seid im Prozess zerbrochen worden. Und nun seid ihr für etwas im Herrn geeignet.

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