von
T. Austin-Sparks
Zuerst veröffentlicht und bearbeitet in den Zeitschriften "Toward the Mark" Sep-Okt 1975, Vol. 4-5. Originaltitel: "The Street of Pure Gold". (Übersetzt von Manfred Haller)
Von der allgemeinen Beschreibung der heiligen Stadt in Offenbarung 21 ausgehend, sagte der Apostel Johannes, ihm sei sie gezeigt worden als aus einer einzigen, zentralen Straße bestehend, mit einem Strom, der durch das Zentrum dieser Straße aus purem Gold fließe. Die geistliche Bedeutung dieser Vision ist die vollkommene Einheit Christi, wie sie in einer wunderschönen Einmütigkeit geoffenbart wird, in der er den zentralen Platz einnimmt. Das ist Gottes Meisterstück, diese Einheit der Gemeinschaft des Geistes, die Christus und seine Glieder eins macht. Mittels dieser Stadt plant Gott, dem ganzen Bereich seines Universums zu dienen. Die Nationen sollen ihrem Lichte wandeln und Heilung finden von den Blättern ihres Baumes des Lebens. Gott hat sich vorgenommen, von der zentralen Position der Gemeinde aus seinem Universum Segen zuströmen zu lassen, in der Christus die zentrale Figur ist.
Wenn dem so ist, dann müssen wir glauben, dass dieses Element der Einheit ein entscheidendes Prinzip ist, und das selbst jetzt der Herr daran arbeitet, sie zu produzieren und zu erhalten. Obwohl das letzte Ziel Gottes noch in der Zukunft liegt, muss es gewiss sein Strahlen schon auf die Gegenwart werfen. Wenn die herrliche Stadt plötzlich ins Gesichtsfeld tritt, scheint sie «aus dem Blauen» heraus zu kommen, doch in Wahrheit wird sie lediglich die letzte Dringlichkeit von dem repräsentieren, was die ganze Zeit über geistlich gesehen schon im Kommen war. In einem gewissen Sinne schickt jeder von uns zum Voraus jene geistlichen Werte in Christus hinauf, die sich in uns entwickeln. Wenn wir dem Gleichnis der Braut folgen, denken wir, dass ihre Gewänder jetzt zubereitet werden, indem eine gewisse Exzellenz, eine gewisse Schönheit, eine gewisse Tugend von Christus wie ein Faden in das Gewebe der bräutlichen Gewänder hinein gewoben wird. Wir werden dann «Christus anziehen», weil wir es lernen, ihn jetzt anzuziehen. Es scheint, dass in ähnlicher Weise das Material der himmlischen Stadt jetzt zubereitet wird. Es trifft zu, dass jedes ihrer Teile einen bestimmten Aspekt von Christus darstellt, aber wiederum sollte man erkennen, dass diese Ausdrucksformen von Christus jetzt in uns geformt werden sollen. Die Vollendung wird man später sehen können, doch die Stadt wird geistlich gesehen jetzt gebildet.
Was letztlich wahr sein wird in Bezug auf die ewige Berufung der Gemeinde als die Metropole von Gottes neuem Universum, wirft etwas Licht auf das, was hier und jetzt schon zutreffen sollte. In Ewigkeit wird Gottes Herrlichkeit auf der Grundlage einer absoluten Einheit vermittelt werden. Zuallererst bedeutet das Einheit mit dem Herrn selbst. Die Gemeinde kann Gottes ewigen Vorsatz nur durch die Gedanken Gottes erfüllen, wie sie in seinem Sohn ihren Ausdruck finden. Es genügt nicht, einen Gesichtspunkt der göttlichen Einheit zu betrachten, wie er durch die einzige Straße und den lebenspendenden Fluss illustriert wird, der in ihrer Mitte fließt; wir müssen uns fragen, was dies für Folgen hat für uns hier auf Erden. Die Konsequenz daraus ist mit Sicherheit die, dass es unter dem Volk Gottes diese grundlegende Einheit des Geistes geben sollte, die einen freiströmenden Dienst des Lebens möglich macht. Es ist nicht nötig, auf der Uniformität der Sprache oder des Vorgehens zu beharren. Selbst wo diese in äußerlichen Dingen existiert, kann trotzdem eine tiefe Spannung des Geistes und eine Gespaltenheit des Herzens vorliegen. Und selbst wo Menschen in unwichtigen Dingen verschiedener Ansicht sind, kann dennoch dieses über alles wichtige Einheit der Gemeinschaft in Christus vorhanden sein. Es ist diese Einheit, die für den Fluss des Geistes entscheidend ist.
Satan selbst legt den Nachdruck auf diesen Punkt durch sein ständiges strategisches Angehen gegen die Kraft und den Wert von jeder Art von Dienst für Christus, indem er Trennungen herbeiführt und versucht, sie andauern zu lassen. Er hat nichts dagegen, dass man über die Einheit redet; in gewisser Weise hat er auch keine großen Einwände gegen eine lehrmäßige Übereinkunft von äußerer Art; aber er wehrt sich konkret und ständig gegen eine tief im Inneren gewirkte Einheit, denn er kennt den machtvollen Impakt eines solchen Zeugnisses. So ist also das Bild von dem Strom, der die Straße hinunter fließt, eine Herausforderung an uns alle. Und natürlich ist es eine Herausforderung an die Gemeinde als Ganze, denn die Einheit des Geistes ist nicht abschnittweise, sondern allumfassend. Daraus folgt, dass der praktische Impakt der Herausforderung auf lokaler Ebene und in den Versammlungen, zu denen wir gehören, verspürt wird. Fließt der Strom dort? Und wenn nicht, liegt der Grund in einem Mangel an grundlegender Einheit? Gibt es da viele Straßen, Seitenwege und private Straßen, statt nur die Hauptstraße des Königs?
Die Herausforderung konfrontiert schließlich jeden Einzelnen, denn der Herr Jesus hat verheißen, dass das Ergebnis eines lebendigen Glaubens an ihn ein Ausfluss von Strömen lebendigen Wassers sein würde (Joh. 7,38). So muss also die ursprüngliche Einheit diejenige unserer eigenen, persönlichen Beziehung zu Christus sein. Bevor wir daran gehen, über unsere Gemeinde nachzudenken, sollten wir unser eigenes Leben überprüfen und uns fragen, ob diejenigen um uns herum Erfrischung und Leben erfahren, indem der Geist von uns aus zu ihnen hinüber strömt. Es genügt nicht, über die Schönheit der goldenen Straße mit ihrem kristallklaren Strom zu sinnieren, wenn wir sie uns bloß als Aussicht auf die Zukunft vorstellen und nicht ebenso als gegenwärtige Erfüllung. Auch wenn wir dankbar Johannes‘ Vorherschau der ewigen Herrlichkeit genießen, tun wir gut daran, zu fragen, was es wohl für uns hier und jetzt bedeuten könnte.
Johannes konnte sagen: «Er zeigte mir...». Er berichtete über das, was er selbst gesehen hatte. Doch es ist nicht relevant, dass, wenn wir das Wort lesen und hören, jeder von uns imstande sein muss, dankbar zu bestätigen: «Er zeigte mir...». Genauso wie Johannes schwerlich diese himmlischen Wunder hätte wahrnehmen können, wenn der Herr nicht zuerst zu ihm gesagt hätte: «Komm, und ich werde dir zeigen...», so können auch wir die geistliche Bedeutung dieser Angelegenheit richtig einschätzen, solange sie der Herr uns nicht geoffenbart hat. Wir sollten imstande sein, in aller Demut zu sagen: «Er zeigte mir…». Doch wenn dies zutrifft, wenn wir wirklich Offenbarung empfangen haben, dann sollte das, was wir gesehen haben, eine ungeheure konkrete Wirkung auf unser Leben ausüben. Wie kann ich gerechterweise behaupten, diese wunderbare Wahrheit der geistlichen Gemeinschaft gesehen zu haben, wenn sie in meinem Leben keinen praktischen Ausdruck findet? Wie kann ich über die heilige Stadt, die himmlische Braut des Lammes, reden, ohne dass diese Prinzipien jetzt in mir irgendwelche Auswirkungen haben? Ganz sicher wird der Test dafür, ob wir etwas gesehen haben, in dem gefunden, was uns und in uns geschieht. Ich glaube nicht, dass es irgend ein wirksames göttliches Zeigen geben kann, ohne dass irgend ein Ergebnis sichtbar wird. Es ist mit Sicherheit äußerst gefährlich, Lehre bezüglich heiliger Wahrheiten anzuhäufen, oder sogar diese Lehre zu verbreiten, während sich die ganze Zeit über in unserer Erfahrung nur eine minimale Auswirkung zeigt. Die Lehre kann mehr Schaden als Gutes bewirken, denn sie kann Leute dazu verleiten, zu glauben, die seien im Besitz der Dinge, nur weil sie darüber informiert wurden. Wir müssen stets unser vorgegebenes Wissen an der praktischen Wirkung überprüfen, von der gezeigt werden kann, dass sie tatsächlich hervorgebracht wird.
Im letzten Kapitel wird, wie im ersten, der doppelte Nachdruck auf den Geist und das Leben gelegt. Im 1. Buch Mose wird uns gesagt, der allererste Hinweis auf göttliche Aktivität sei das Brüten des Geistes Gottes gewesen, und darauf folgen immer neue und immer wunderbarere Ausdrucksformen des Lebens. Wenn wir nun zum letzten Kapitel der Offenbarung kommen, hören wir, wie der Geist mit der Braut ausruft: «… wen da dürstet, der komme: wer da will, nehme das Wasser des Lebens umsonst». Aufs Neue haben wir hier den Geist und das Leben. In gewisser Hinsicht ist dies der Schlüssel zur ganzen Bibel. Im Alten Testament wird der Geist auf viele Arten symbolisiert, als Wasser, Feuer, Öl usw., aber stets steht er auf diese oder jene Weise mit dem Leben in Verbindung. Im Neuen Testament wird dies noch viel klarer unterstrichen. Das letzte Buch, das Buch der Vollendung, portiert den Geist und das Leben als seine beiden hervorragendsten Gestalten. Es beginnt mit der Feststellung des Johannes, dass er sich im Geist am Tag des Herrn befinde, und dass sieben Mal durch die Briefe an die Gemeinden hindurch der Ruf an jene ergeht, die hören möchten, was der Geist den Gemeinden zu sagen hat. Parallel dazu verläuft die Frage des Lebens. Im Geist sah und hörte Johannes den Lebendigen, den Herrn Jesus, in Form von Auferstehungsleben. Und da von der siebenfachen Fülle des Geistes die Rede ist, merken wir, dass seine Feuerfackeln auf die Gemeinden gerichtet sind zu einer Suche nach der einen, überragenden Erfahrung, welche sie haben sollten, nämlich die Fülle des Lebens. Der wahre Test dafür, ob jene Gläubigen sich auf das Ziel der Gemeinde hinbewegten, war der: «Begegnen die Leute durch dich Christus? Fließt Wirkung aus zu den andern, wie dies von den Kleidern unseres Herrn geschah? Unsere eigentliche Berufung hier auf Erden ist es, Zeugen seines Lebens zu sein und anderen um uns herum dieses Leben zu vermitteln. Sowohl wir als einzelne, als auch unsere Gemeinden, sind dazu da, Lebenszentren zu sein.
Einer der Gemeinden wurde gesagt: «... du hast den Namen, dass du lebst, dabei bist du tot...» (Offenbarung 3,1-3). Namen nützen dem Herrn nichts. Ob der Name gut klingt, ob er schriftgemäß ist, ob er eine lange Tradition hat - das interessiert den Herrn überhaupt nicht, und er hat in seinen Augen keinen Wert, solange nicht sein eigenes Leben und seine Liebe von uns ausströmen. Und es kann kein Zweifel darüber aufkommen, dass dieses Leben sich in Einheit zum Ausdruck bringt. Wenn der Heilige Geist wirklich seinen Weg unter dem Volk Gottes findet, kann es nicht gespalten sein. In Ewigkeit wird es eine goldene Straße geben. Möge selbst jetzt seine Liebe derart in uns, seinem Volk, triumphieren, damit der Strom des Lebens freigesetzt wird, um Leben zu den durstigen Seelen um uns herum zu bringen!
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