von
T. Austin-Sparks
Zuerst veröffentlicht in den Zeitschriften "A Witness and A Testimony", Jan-Feb 1949, Vol 27-1. Originaltitel: "Christian Service From God's Standpoint". (Übersetzt von Manfred Haller)
Was ist das Werk des Herrn? Was ist christlicher Dienst von Gottes Standpunkt aus? Er ist ein Beitrag zur Fülle Christi. Es ist dies, dass jeder einzelne Teil (Seines Leibes) seinem Maße entsprechend dient mit dem Ziel, dass alle Dinge in Christus zusammengefasst werden, und dass Er die Fülle aller Dinge sein soll.
Dieses große göttliche Ziel hat viele Wege und viele Mittel, es zu erreichen, und es geht nicht darum, dass wir, ihr und ich, dem Herrn genau gleich dienen wie sonst jemand. Darum geht es überhaupt nicht. Wir standardisieren das christliche Werk und teilen es in verschiedene Departemente ein, und wir denken dabei an die Aktivitäten von Pfarrern und Missionaren und ähnlichen Funktionen, und das nennen wir dann das Werk des Herrn; genau daran denken wir, wenn wir davon reden, in einen christlichen Dienst einzutreten. Aber auch wenn ich nicht behaupte, das sei nicht das Werk des Herrn, so ist es doch eine sehr enge und künstliche Art, die Dinge zu sehen.
Das Werk des Herrn ist und kann nichts anderes sein als ein Beitrag zur Fülle Christi und ein Weitergeben dieser Fülle an Ihn und von Ihm (an andere). Wie ihr es tut, das ist eine Frage der göttlichen Anstellung, aber das ist das Werk des Herrn. So ist es also nicht notwendigerweise eine Frage dessen, ob ich mich in dem befinde, was man gewöhnlich «vollzeitlichen Dienst» nennt, ob ich ein Missionar oder sonst ein christlicher Mitarbeiter bin, ob ich in dieser oder jener besonderen Sparte arbeite, oder ob ich dem Herrn auf eine Weise diene, wie es auch andere tun. Das ist eine recht sekundäre Sache. Wir alle möchten gerne tun, was andere Leute tun, und es erst noch so tun, wie andere es tun. Vielleicht möchtest du ein Apostel Paulus werden, aber wenn du ein bisschen mehr davon verstündest, möchtest du es vielleicht doch nicht mehr! Aber seht ihr, ob Paulus es gemäß der ihm von Gott zugewiesenen Linie tut, auf seine göttlich bestimmte Weise - oder aber Petrus, oder Johannes, oder dieser oder jener- das Ziel kommt zuerst, die Art und Weise erst hinterher.
Der Dienst des Herrn ist, wie immer die Mittel oder die Methode sein mögen, ein Dienst zur Fülle Christi und ein Dienst aus dieser Fülle heraus, und du kannst aufgerufen werden, dies überall zu tun. Er kann genauso gut verborgen vor den Augen der Öffentlichkeit wie in der Öffentlichkeit geschehen. Viele, die dem Herrn gedient haben und durch die dem Herrn auf wunderbare Weise gedient wurde, sind Menschen, von denen die Welt nie etwas gehört und auch nicht gelesen hat. Dies ist, wie ihr seht, eine Angelegenheit des «Leibes», und ein Leib besteht nicht nur aus lauter Händen, nicht bloß aus den wichtigsten Organen und Fähigkeiten. Ein Leib setzt sich aus zahlreichen, fast unzählbaren Funktionen zusammen, von denen viele entfernt und sehr verborgen sind, doch sie alle dienen ein einer auf einander bezogenen Weise dem vollen Zweck, zu dem der Leib existiert; und das ist ein wahres Bild vom Dienst Gottes.
Denkt noch einmal nach. Natürlich wollen wir euch nicht davon zurückhalten, den vollsten Platz im Dienst anzustreben, auch sagen wir nicht, es sei falsch, wenn ihr ein Missionar werden möchtet, in Form einer vollzeitlichen geistlichen Eigenschaft in die Welt hinauszuziehen; aber ihr dürft nicht vergessen, dass selbst bevor der Herr euch in einem spezifischen Werk angestellt hat, seid ihr eben schon ein Diener Gottes. Denn «Diener» (engl. Minister) ist nicht ein Name, ein Titel, eine Bezeichnung, sondern eine Funktion, und diese Funktion trägt etwas zur Fülle Christi bei und teilt etwas von dieser Fülle aus.
So kommt es als Frage auf uns zurück: Was teile ich denn von Christus aus? Was trage ich zu jener höchsten Fülle bei? Wenn es dies ist, dass ich Ihm Unerrettete zuführe, dann füge ich sozusagen Christus etwas hinzu. Das ist alles, was es bedeutet, aber genau das bedeutet es. Ich baue Christus auf. Wenn ich die Heiligen ermahne, dann diene ich Christus und ich teile von Christus aus. Das ist «Mein Knecht ... an dem meine Seele Wohlgefallen gefunden hat». An wem hat Gott als Seinem Diener Wohlgefallen gefunden? Es sind die, die Seinem Sohne dienen, und das ist der Anfang und das Ende, wie immer das aufgrund einer göttlichen Anstellung geschehen mag.
«Siehe, mein Knecht (Diener)...». Gott lenkt die Aufmerksamkeit auf den Diener, an dem Seine Seele Wohlgefallen gefunden hat. Der Anfang von allem Dienst in Bezug auf Gott ist der Diener selbst. Was macht einen Diener Gottes aus? Wir meinen, ein Diener Gottes werde man durch akademische Schulung, durch Bibellehre, durch diese oder jene Form von Ausrüstung; und wir glauben, wenn wir all das haben, wenn wir den Kurs absolviert und alles in unserem Kopf haben, was man von dieser Materie aufnehmen kann, dann seien wir Diener Gottes. Doch dies ist nicht die Art, wie Gott die Dinge betrachtet.
An erster Stelle sieht Gott den Knecht an, und Er verlangt von ihm, dass Er selbst imstande sein muss, auf Seinen Knecht zu zeigen und zu sagen: «Siehe, Mein Knecht». Ich weiß, in einem berechtigten Sinne sollte der Knecht überhaupt nicht in Sichtweite sein, doch nur in einem bestimmten Sinne; d.h. er in seiner eigenen Person, sein persönlicher Eindruck als Mensch, sein natürlicher Einfluss, sollte von den Leuten nicht wahrgenommen werden. Nur in diesem Sinne sollte er außer Sichtweite bleiben. Doch in einem anderen Sinne sollte er sehr stark im Blickfeld stehen. Er zieht die Aufmerksamkeit sehr präzis, sehr stark und fortwährend auf sich. Der Herr verlangt, dass Er imstande sein kann, zu sagen: «Siehe, Mein Knecht», und der Knecht, auf den Er Seine Aufmerksamkeit richtet, wird der Knecht sein, der den Eindruck von Christus vermittelt. Ja, Christus wahrgenommen, Christus als gegenwärtig empfunden, Christus augenscheinlich, im Diener! Der Anfang allen Dienstes ist, ich wiederhole, der Diener selbst. Gott kümmert sich viel mehr darum, dass Seine Diener sich im richtigen Zustand befinden, als dass Er sie mit allen möglichen akademischen Qualifikationen und Titeln ausstatten lässt. Es ist der Mann, es ist die Frau, mit der sich der Herr befasst.
Wenn ihr die Briefe an Timotheus aufschlagt, dann findet ihr dort jene schöne Bezeichnung eines Dieners des Herrn: «Du, Mann Gottes» (1. Tim. 6,2). Paulus appelliert mit solchen Begriffen an Timotheus. Und dann, nachdem er vom Studium und von der Kenntnis der Schriften gesprochen hat, benutzt er dieselbe Wendung nochmals: «... damit der Mensch Gottes vollständig sei, völlig ausgerüstet zu jedem guten Werk» (2. tim. 3,17). Doch beachtet die Reihenfolge: Er sagt: «damit der Mann Gottes ... vollständig ausgerüstet sei», also nicht zuerst ein vollständiges ausgerüstet Werden, um so ein Mann Gottes zu werden. Der Mann Gottes existiert bereits. Nun, nun all sein Studium des Wortes dient dazu, ihn, der bereits ein Mann Gottes ist, zu einem wirkungsvollen Arbeiter zu machen. Der Mann Gottes kommt vor allem Studium. Er ist schon einer, bevor er irgend welche Kenntnis der Schrift besitzt.
Ihr wisst, dass «Mann Gottes» die große Bezeichnung war, die man einigen der Propheten einst verlieh. Elijah zum Beispiel, nachdem Gott ihn eine Zeitlang am Bach Krith verborgen gehalten hatte, stellte fest, dass der Bach austrocknete; da kam das Wort des Herrn zu ihm und sprach: «Steh auf, geh nach Zarpath ... siehe, ich habe einer Witwe befohlen, dich zu ernähren» (2. Könige 17,9). Elijah ging, und ihr wisst, welche Nahrungssituation er dort vorfand. Sie war gerade daran, zwei Stöcke einzusammeln, um für sich und ihren Sohn die letzten Brote zu backen und dann zu sterben. Doch dann geschah es, dass der Sohn der Frau krank wurde, und die Krankheit war so ernst, dass kein Atem mehr in ihm blieb. Die Frau appellierte sehr pathetisch an den Propheten. Dieser nahm das Kind auf sein Zimmer und rief zum Herrn und sah, wie das Kind wieder lebendig wurde; er präsentierte den Knaben seiner Mutter lebendig, die sagte: «Nun weiß ich, dass du ein Mann Gottes bist, und dass das Wort in deinem Munde die Wahrheit ist».
Was waren Ausweiskriterien seines Dienstes? Er besaß des Geheimnis des Lebens, das über den Tod triumphiert. Er hatte die Worte des Lebens, und das Wort des Lebens besteht nicht immer nur aus dem Gebrauch von Schriftstellen. Ihr könnt von der Schrift Gebrauch machen, ohne dass es überhaupt eine Wirkung hat, oder ihr könnt sie brauchen und eine überwältigende Wirkung erzielen. Ein schönes Stück hängt es davon ab, wer die Schrift benutzt. Es ist der Mann Gott, der auf diese Weise von ihr Gebrauch machen kann und dann als wahrer Knecht Gottes beglaubigt wird. Es ist die geistliche Kraft des Lebens, die in diesem Manne ist, der aus ihm (um Paulus‘ Worte an Timotheus zu benutzen) einen bewährten Diener Gottes macht.
«Siehe, Mein Knecht». Begreift ihr den entscheidenden Punkt? Ihr und ich, wir sind es, mit denen sich der Herr befasst; es geht um das, was wir sind; es geht um unsere persönliche Kenntnis von Ihm selbst. Es geht darum, dass wir in uns die Geheimnisse des Herrn haben, dass es auch auf uns zutrifft, wie es auf den Herrn Jesus und auf viele andere zutraf, das der Schlüssel zur Situation geistlich in unserer Hand liegt. Wir wie Elijah, als er heimlich im Verborgenen weilte, sind mit dem Herrn in Berührung gekommen. Es gibt einen Hintergrund. Gott hatte zu Elijah gesagt: «Verbirg dich»; und er blieb eine lange Zeit verborgen, bevor das Wort des Herrn eintraf und sagte: «Geh, zeig dich...». Jemand hat bemerkt, dass es bei jedem Diener Gottes mehr von einem verborgenen als von einem öffentlichen Leben geben müsse. Wie wahr ist das doch!
Der Herr nimmt sich große Mühe, sicher zu stellen, dass die geheime Geschichte, die geistliche Geschichte von jedem Seiner wahren Knechte sorgfältig gehütet wird. Bei allem Eifer, hinauszuziehen und ans Werk zu gehen - und möge dieser niemals nachlassen! - bei allem Enthusiasmus, aktiv zu sein, bei allem Verlangen und sehnsüchtigen Streben, dienen zu können, dürfen wir nie vergessen, dass das erste immer der Diener ist, nicht der Dienst. Das erste, der Anfang allen Dienstes, ist das Instrument. Wir sehen, dass der Diener zuerst ins Blickfeld des Herrn tritt, damit Er jemanden hat, auf den er in richtiger Weise die Aufmerksamkeit lenken und sagen kann: «Seht auf diesen Meinen Diener, und seht Mein Werk. Seht meine Gnade, seht meine Kraft, seht die Spuren Meiner Hand».
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